Über die Bedeutung von Avaaz

Nach meinem letzten Blogpost wurde ich von mehreren Seiten “darauf aufmerksam gemacht”, dass Avaaz doch eine ganz böse Organisation sei (es fiel auch das Wort “Illuminati”), die letztlich nur den Interessen einiger weniger Strippenzieher dient, und die Aufmerksamkeit, die sie erzielt, dazu nutzt, die Menschen zu manipulieren. Es kursiert momentan auch eine ellenlange E-Mail, in der akribisch versucht wird darzustellen, warum Avaaz böse ist.

Ist mir das wichtig? Nein. Ich bin kein Avaazler, habe dieser Organisation kein Geld gespendet und letztlich ist es mir auch egal, wer dahintersteht. In meinem letzten Post habe ich auf eine Aktion von Avaaz hingewiesen – nicht, weil ich Avaaz so toll finde, sondern weil ich der Meinung bin, dass diese Aktion förderungswürdig ist. Ich hätte dafür auch Werbung gemacht, wenn sie von Greenpeace, dem B.U.N.D. oder notfalls auch einer christlichen Kirche organisiert worden wäre.

Vielleicht ist es mir auch nicht vollständig gelungen, in meinem Beitrag klarzustellen, dass es dabei nur in zweiter Linie um die konkrete Aktion ging. In erster Linie ging es mir darum, meine Freude darüber auszudrücken, dass uns das Internet als Kommunikationmittel in die Lage versetzt, schnell viele Menschen zu informieren und Bewusstsein für ein bestimmtes Thema zu wecken. Üblicherweise funktioniert das nur “verkehrt” herum, zum Beispiel bei der unsäglichen Brüderle-Sexismus-Affäre. Da wird mit Hilfe der Medien eine Diskussion um buchstäblich nichts entfacht. Wenn dagegen Themen hochkochen, die mir sinnvoll erscheinen, dann freut mich das. Insbesondere, wenn man dabei die Macht des menschlichen Bewusstseins (“Maharisi-Effekt”) mit einbezieht, und sich dann ausmalt, welchen energetischen Impetus diese Avaaz Aktion hat.

Um es noch einmal klar zu sagen: Mir ist Avaaz als Organisation genauso lieb oder nicht lieb wie andere, auf dem selben Gebiet tätige Organisationen. Ich freue mich ausschließlich darüber, dass ein sinnvolles Thema ins Bewusstsein möglichst vieler Menschen gerückt wird.

Und ja: Es gibt noch viele weitere sinnvolle Themen, die unserer Aufmerksamkeit bedürfen (Stichwort: geplante Privatisierung der Wasserwirtschaft). Lasst uns also weiter unseren Fokus darauf richten, was wir für die Menschen und die Natur besser machen können, als bisher. Maharishi lässt grüßen.

Frustfreies schreiben Lernen

Auf der Website der “Zeit” findet sich heute ein interessanter Kommentar von Harald Martenstein. Es geht um die Methode, nach der aktuell in Grundschulen den Kindern das Schreiben beigebracht wird. Kurz gesagt, dürfen die Schüler schreiben, wie sie wollen – die Regeln der Orthographie sind außer Kraft gesetzt. Erst in der dritten Klasse lernen sie dann, wie man “richtig” schreibt.

Nun bin ich selbst kein Freund davon, die Welt in “richtig” und “falsch” einzuteilen. Das wird meiner Meinung nach ohnehin in viel zu vielen Bereichen viel zu oft getan. Manchmal ist es jedoch äußerst hilfreich, wenn man sich auf eine Konvention einigt, um Kommunikation zu erleichtern. Die Rechtschreibung ist genau so ein Fall. Wenn jeder schriebe, wie er wollte, würde es zu Unmengen an Missverständnissen kommen. Hatten wir vor einigen hundert Jahren schonmal – deshalb wurde die Orthografie ja erfunden. Und all das nur, um sie heute in der Grundschule wieder außer Kraft zu setzen?

Der Gedanke, der dahinter steckt, ist eigentlich gut gemeint. Was jedoch dafür gedacht war, den Kindern Frust zu ersparen, hat sich zumindest bei uns als Bumerang herausgestellt. Nachdem meine große Tochter in den ersten beiden Jahren weidlich von der ihr angebotenen orthographischen Freiheit Gebrauch gemacht hat, musste sie in der 3. Klasse feststellen, dass das mit der “künstlerischen Freiheit” gar nicht so gemeint war, und kämpfte von da an so sehr damit, die eingeprägten falschen Schreibweisen zu korrigieren, dass sie zwischenzeitlich eine Kandidatin für einen LRS-Test (Lese-Rechtschreib-Schwäche) war. Vielen Dank auch, liebes Kultusministerium.

Nach vielen harten Lektionen und Frust in Form von versemmelten Diktaten gewinnen nun, in der 4. Klasse, die korrekten Schreibweisen langsam die Oberhand über die Eigenkreationen, und es ist Licht am Horizont zu erkennen. Zwei Sachen sind jedoch sicher: Erstens hat dieser pädagogische Unsinn keinen Frust erspart, sondern selbigen erzeugt, und zweitens werde ich meiner kleinen Tochter, die heuer in die 1. Klasse gekommen ist, höchstpersönlich und von der ersten Minute an mit der gebotenen Liebe und Geduld die Regeln der deutschen Rechtschreibung beibringen, wenn es schon die Schule nicht tut.

Die gesteuerte Empörung

In den letzten Tagen und Wochen ist die Empörung der Muslime über ein auf YouTube veröffentlichtes Video in quasi jeder Nachrichtensendung und auf jeder Nachrichtenseite das Top-Thema. Es macht fast den Eindruck, als würde die gesamte islamische Welt in einer kollektiven Raserei dagegen aufbegehren, dass der heilige Prophet Mohammed auf so schändliche Weise geschmäht wurde …

Ähm … momentmal. Hier ist doch was faul, oder? Warum sollte der Mob in den Straßen der islamischen Städte von selbst auf die Straßen gehen, weil irgendwelche “Filmemacher” einen billig gemachten und obendrein ziemlich dämlichen Streifen im Internet veröffentlicht haben. Schließlich interessiert es den Mob ja auch nicht, dass in Syrien gerade Tausende von Glaubensbrüdern und -schwestern mitsamt ihrer Kinder abgeschlachtet werden. Auch der Koran kennt so etwas wie das Gebot: “Du sollst nicht töten”. Wenn man sich ein bisschen intensiver mit dem Thema beschäftigt, kommt man auch recht schnell darauf, dass die Gewalt während der Proteste, die in den Medien so prominent gezeigt wurde, im Wesentlichen von der relativ kleinen Gruppe der (extremistischen) Salafisten ausgegangen ist. Selbst großzügige Schätzungen gehen dabei davon aus, dass nur 0,007 % der Muslime überhaupt auf die Straße gegangen sind – weitaus weniger als während der Revolution z.B. in Ägypten.

Irgendwie riecht das Ganze nach organisierten Protesten, wie sie gerne auch in der stalinistischen UdSSR benutzt wurden, um den angeblichen Willen des Volks plakativ zu demonstrieren. Und natürlich findet sich immer eine gewisse Anzahl von folgsamen Schafen, wenn der Mulla dazu aufruft, gegen die “Schmach” zu protestieren. Das würde meiner Meinung übrigens auch in christlich geprägten Ländern gut funktionieren, wenn der Priester die Menschen von der Kanzel herab anstachelt … das ist kein muslimisches Phänomen. Aber egal. Fakt ist, dass es eine begrenzte Anzahl von Spinnern gibt, die den willkommenen Anlass nutzen, um ihrer Lust an Gewalt freien Lauf zu lassen.

Und wie reagieren die nicht-islamischen Länder, vor allem Deutschland? Aus Angst vor einer Handvoll marodierender Muslime wird laut darüber nachgedacht, in das Recht der Meinungsfreiheit und Redefreiheit einzugreifen und die Verbreitung des Videos zu verbieten. Wie bitte? Nur weil ein paar bärtige Turbanträger, die eben nicht die Mehrheit der Muslime repräsentieren, mit einem Molotowcocktail winkt sollen in Deutschland Grundrechte eingeschränkt werden? Schonmal was von der “wehrhaften Demokratie” gehört? Es gibt immer großes Bohei, wenn mal wieder ein paar Neonazis eine Demonstration planen und Hundertschaften von Polizisten sind dann vor Ort … aber wenn es um den Islam geht, dann flüchten wir uns lieber in vorauseilende Zensur. Seltsam.

Die Franzosen, also die Macher der Zeitschrift Charlie Hebdo, die die neuen Mohammed Karrikaturen direkt nach den ersten Protesten gegen das Video veröffentlicht haben, haben es genau richtig gemacht: Sie haben Rückgrat gezeigt. Die Aussage des Chefredakteurs dazu:

“Wir veröffentlichen jede Woche Karikaturen, aber von Kampfansagen und Kriegserklärungen spricht man nur, wenn es dabei um die Person des Propheten geht oder radikalen Islamismus. Wenn man beginnt zu sagen, dass man derartige Zeichnungen nicht machen kann, dann wird das bald auch für andere, harmlosere Darstellungen gelten.”

Bleibt die Frage: Wozu das Ganze? Als ich heute auf Spiegel Online diese Nachricht las, ging mir ein ganzer Kronleuchter auf:

Iran will Google aussperren: Iran verschärft die Internet-Zensur: Die Regierung will das Mohammed-Schmähvideo zum Anlass nehmen, ihren Bürgern den Zugriff auf Google und Gmail künftig zu verbieten. In wenigen Monaten soll das Land vom internationalen Web abgekoppelt werden.

Aha! Es geht also wie in letzter Zeit öfter darum, in großem Stil Grundrechte zu beschneiden, zu zensieren, den freien Austausch von Informationen nach Möglichkeit zu unterbinden und in letzter Konsequenz die Leute dumm zu halten. Wenn man den Iran als Beispiel heranzieht, dann ist das auch ein logischer Gedankengang, denn die Revolution in Ägypten wurde zu einem guten Teil durch die Nutzung des Internets und der dadurch möglichen Kommunikation organisiert. Klar dass die Machthaber im Iran davor Angst haben und nun am besten im Voraus dieses “Übel” bei der Wurzel packen.

Wenn ich mir den “Auslöser” dieser Proteste noch einmal vor Augen führe, dann frage ich mich, vor allem auch vor dem Hintergrund eines Filmes wie “Das Leben des Brian“, wie man allen Ernstes so eine Nichtigkeit, wie diesen dämlichen Film als Auslöser für solche heftige Reaktionen verwenden kann – sei es von Seiten der Salafisten oder der sich noch in Amt und Würden befindenen islamischen Dikatatoren. Und als zweites, in Bezug auf die vorauseilende Selbstzensur in Deutschland, kann ich es nur mit den Worten von Reinhard Mey sagen: Sei wachsam!

http://www.youtube.com/watch?v=BU9w9ZtiO8I

P.S. Gottseidank gibt es auch noch Seiten im Internet, die das Ganze nicht so ernst nehmen, wie z.B. den Postillion: Erschöpfte Islamisten bitten darum, Propheten nicht so oft hintereinander zu schmähen.

Die Evolution der katholischen Kirche

Ich führe mir gerade “Die Tore der Welt” von Ken Follett als Hörbuch zu Gemüte. Ein toll geschriebenes Hörbuch, das im Hochmittelalter spielt und von allen möglichen Geschichten und Situationen handelt, in denen natürlich auch die Kirche (damals gab es ja nur die katholische) eine gewichtige Rolle spielt. Die Prioren der Klöster waren Lehensherren, Richter und Unternehmer und hatten ansonsten auch furchtbar viel Macht, die sie gerne auch mal nutzten, um sich selbst Denkmäler zu setzen. Auch allgemein gesprochen nahmen es die Geistlichen des Mittelalters mit solchen Dingen wie Armuts- und Keuschheitsgelübden wohl oft nicht so genau. Vorbildrolle und Außenwirkung waren noch keine Wörter, die man kannte oder die irgendeine Bedeutung hatten.

Gottseidank ist die Zeit des dunklen Mittelalters vorbei und die Kirche ist zu einer wertvollen Institution geworden, die das Leben der Menschen bereichert und im sozialen Bereich wahre Wunder vollbringt. Ist doch so … oder war da gerade der Wunsch der Vater des Gedankens? Wohl doch eher letzteres, denn beim Lesen eines Artikels mit dem Titel “Das Upgrade-Wunder von Limburg” auf Spiegel-Online fühlte ich mich direkt in das Setting des Buchs zurückversetzt. Irgendwie scheint es, dass die katholische Kirche den Sprung vom Mittelalter in die Moderne nicht nur in Bezug auf ihre Einstellungen zur Sexualität und anderen “heiklen” Themen noch nicht geschafft hat …

In der evangelischen Kirche geschehen zumindest noch “Wunder” in der Art, dass eine Bischöfin Käßmann wegen einmaligen alkoholisierten Fahrens zurücktritt, weil sie ihrer Vorbildrolle nicht mehr gerecht werden kann. Chapeau. Die katholische Kirche haben solche Dinge jedoch noch nie angefochten. Mal sehen, wie sich der Bischof aus der Kiste nun wieder rauswindet.

Verrückte Welt

Im Teaser für einen Artikel auf Spiegel Online mit dem Titel “Deutschland erzielt weltgrößten Handelsüberschuss” schreibt der Autor, dass die internationale Kritik an Deutschland wegen eben dieses Handelsüberschusses größer wird. Ich bin darüber gestolpert und habe mir den Artikel ganz durchgelesen. Dabei sind mir diese denkwürdigen Sätze vor die Füße gefallen:

Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen sind nach Ansichten vieler Wirtschaftswissenschaftler einer der zentralen Auslöser der weltweiten Finanzkrise – dazu gehören auch die hohen Außenhandelsüberschüssen von Deutschland und China. Der Hintergrund: Wenn ein Land besonders viel exportiert, muss ein anderes Land besonders viel importieren und sich dafür hoch verschulden.

Wenn ich das jetzt mal zusammenbaue, dann heißt das soviel wie: Deutschland ist schuld daran, dass andere Länder Schulden machen, weil wir so viele Güter herstellen und es auch noch wagen, sie zu exportieren. Ich wusste gar nicht, dass Deutschland die anderen Länder auf der Erde zwingt, seine Waren zu kaufen … Bin ich verrückt oder ist es doch die Welt?