Gedanken über Gutmenschen und besorgte Bürger

Top Thema momentan: Die Welle von Flüchtlingen, die nach Europa flutet. Doch nicht das Schicksal der Menschen, die ihre Heimat verlassen, noch die Suche nach einer Lösung für das Problem an dessen Quelle werden heiß diskutiert. Stattdessen schlagen sich die (von der jeweils anderen Seite so genannten) “Gutmenschen” und “Nazi-Deppen” leider nicht immer nur verbal die Schädel ein.

Um eines vorab klar zu sagen: Meine Position in dieser Sache ist die, dass es selbstverständlich ist, Menschen, die auf der Flucht sind, Asyl zu gewähren – ohne wenn und aber. Beim Beobachten der aktuellen medialen Schlacht zu dem Thema, komme ich jedoch nicht umhin, mir einige Gedanken zu machen …

  1. Wer Menschen zu Schaden bringt, Brände legt oder anderweitig anderer Leute Eigentum beschädigt, muss dafür bestraft werden.
  2. Wer dem blinden Hass der “besorgten Bürger” mit ebenso blindem Hass entgegentritt, sollte es eigentlich besser wissen.

Es ist gerade groß in Mode, dass alle, die halbwegs der Öffentlichkeit bekannt sind, sich medienwirksam zu dem Thema äußern. Tenor dieser Äußerungen ist, dass diejenigen, die sich gegen die Flüchtlinge wenden, “braunes Pack” sind und ohnehin nur dumme Stücke Scheiße. Diese Texte und Videos werden in den sozialen Netzwerken tausendfach geteilt und unterstützt.

Ich stimme zu, dass die Gewalt, die von diesen Menschen ausgeht, von der Gesellschaft zu verurteilen und von der Judikative zu bestrafen ist. Die Menschen aber im medialen Dauerfeuer auf das übelste zu beschimpfen und zu erniedrigen provoziert nur eines: Mehr Widerstand. Es spaltet die Gesellschaft in zwei Gruppen: “wir” und “die anderen” – und zwar wechselseitig.

Ich bilde mir nicht ein, zu wissen, was der Königsweg in diesem Dilemma ist. Ich bin mir auch nicht sicher, inwiefern ein Dialog mit den “besorgten Bürgern” von Erfolg gekrönt wäre. Wovon ich aber überzeugt bin ist, dass das momentan stattfindende öffentliche Bashing das Problem nur vergrößert.

Ein erster Schritt wäre wahrscheinlich, den Gewalttätern die öffentliche Bühne zu entziehen, indem die Berichterstattung auf ein Minimum reduziert wird, und gleichzeitig für eine schnelle und angemessene Bestrafung zu sorgen. Und wenn man gleichzeitig den Fokus der Berichte auf positive Nachrichten rund um die Asylbewerber legt (die gibt es ja auch genug), dann kann man die meinungsbildende Macht der Medien vielleicht endlich mal für einen guten Zweck einsetzen …

Auschwitz vergessen? Nie! Aber ich trage keine Schuld daran.

Momentan macht ein Kommentar von Anja Reschke die große Runde in den sozialen Medien. Viele stimmen ihm uneingeschränkt zu. Beim Ansehen musste ich jedoch für mich feststellen, dass ich das nicht tue – zumindest nicht uneingeschränkt.

https://www.youtube.com/watch?v=eZhLCD4aTrY

Vergessen darf man Auschwitz nie … aber zu meiner persönlichen Identität als Deutscher gehört es nicht. Es gehört zur Geschichte der Nation in der ich lebe, genauso wie der Massenmord an den Eingeborenen zu quasi jeder Nation der neuen Welt gehört. Aber es gehört nicht zu meiner Identität.

Ich bin ich. Ich habe niemanden ermordet oder auch nur weggesehen und geschwiegen, als andere gemordet haben. Ich trage keine Schuld an Auschwitz.

Wenn es Teil meines Weltbildes gewesen wäre, dass es in Ordnung ist, andere Menschen zu töten oder zu verletzen, dann hätte ich wahrscheinlich aus den schrecklichen Bildern der alliierten Kameraleute etwas gelernt. Aber das war gar nicht nötig.

Nur weil ich in Deutschland geboren bin und einen deutschen Pass habe, trage ich keine Schuld an Auschwitz. Die Generation der Schuldigen und der Opfer ist dabei, auszusterben. Und mit ihr muss auch das Thema von Schuld und Sühne sterben. Die Aufgabe der Lebenden ist es, das Gelernte nicht zu vergessen und dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Nirgendwo auf der Welt.