Dieser Beitrag ist ebenfalls als “Zu guter Letzt” im Essenzenladen-Blog erschienen.
Das Thema meiner Februar-Kolumne stimmt mich persönlich ambivalent, weil es mich gleich doppelt betrifft, einmal als Kunde und einmal als Händler. Gemeint sind die Versandkosten, mit denen wir in unserer Welt, in der immer mehr online bestellt wird, fast täglich konfrontiert sind. Die großen Versandhändler, allen voran Amazon, locken mit versandkostenfreier Lieferung, und auch mittlere und kleinere Händler sind aufgrund des Preisdrucks voll auf diesen Zug aufgesprungen.
Meine Position ist dabei, wie schon gesagt, sehr ambivalent. Natürlich fühlt es sich als Kunde gut an, wenn man für etwas, was einem an die Haustür geliefert wird, keine zusätzlichen Versandkosten zahlen muss. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass sich nicht auch bei mir dabei ein Wohlgefühl einstellt. Jedoch hat die ganze Sache gleich mehrere Pferdefüße, und das nicht nur auf finanzieller Ebene.
Ich bekomme in meiner Rolle als Versandhändler immer wieder Anfragen, ab welchem Betrag wir denn versandkostenfrei liefern würden. Na klar, die Leute sind daran gewöhnt, dass das ab 20 EUR, aber mindestens ab 50 EUR der Fall ist. Wenn ich dann von unserer Grenze, die bei 500 EUR liegt, erzähle, dann schlucken die meisten. Wenn ich dann noch ergänze, dass unsere Versandkosten auf sehr niedrigem Niveau liegen, dafür aber halt von (fast) jedem bezahlt werden müssen, mindert das den Schock meistens etwas, es gibt jedoch Kunden, die davon überzeugt sind, dass sie das Recht auf versandkostenfreie Lieferung haben.
Das ist in meinen Augen jedoch Selbstbetrug. Ähnlich wie bei der Schnäppchenjagd im Geschäft, bei der die großen Rabatte hauptsächlich auf Produkte gegeben werden, die vorher entsprechend verteuert wurden (oder ohnehin schon überteuert waren), verlieren wir aus den Augen, dass Händler ja auch nicht von Luft und Liebe leben können. Die Versandkosten, die dem Kunden angeblich geschenkt werden, sind selbstverständlich im Preis der Ware von vornherein mit einkalkuliert. Wir zahlen also sehr wohl für die Lieferung, wir merken es nur nicht.
“Mundus vult decipi (ergo decipitur).” – Die Welt will betrogen sein, also soll sie betrogen werden
aus „Das Narrenschiff“ von Sebastian Brant, 1457-1521
Meine persönliche Meinung dazu ist, dass eine faire Preisgestaltung besser in die neue Energie passt, als die alten Verschleierungsmanöver, die nur oberflächlich dafür sorgen, dass wir uns einen kurzen Moment gut fühlen. Deshalb kalkulieren wir im Essenzenladen unsere Preise so, wie es nach unserem Ermessen für alle fair ist, mit der Konsequenz, dass kein Raum für zusätzliche Rabatte oder geschenkte Versandkosten ist. Jeder soll transparent wissen, was wieviel kostet.
Ähnlich macht es auch die GLS Bank, bei der wir schon lange Kunde sind. Die hat vor einigen Jahren die Kosten auch transparent gemacht und Quersubventionierungen für die Bankdienstleistungen – die Regel bei den allermeisten „kostenlosen“ Banken – eingestellt. Auch hier musste ich ordentlich schlucken, als ich das erste mal die tatsächlich anfallenden Gebühren gezahlt habe. Jedoch ist das ein Preis, den ich für den ethischen Standard dieser Bank und die Transparenz gerne zahle – und ich fühle mich gut dabei, weil ich für eine ehrliche Dienstleistung einen ehrlichen Preis zahle.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum in der Vorweihnachtszeit Briefe und Pakete immer gefühlt doppelt so lange brauchen, bis sie beim Empfänger sind? Ja, natürlich steigt das Sendungsvolumen in dieser Zeit stark an, jedoch können die Transportunternehmen ihre Leistungsfähigkeit nicht beliebig hochskalieren, weil sie schlicht keine Menschen finden, die willig sind, für den geringen Lohn, den die Unternehmen zahlen, Pakete zu schleppen. Auch das ist eine Konsequenz des immensen Preisdrucks, der nicht zuletzt durch das Konzept der versandkostenfreien Lieferung entsteht.
Und haben sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass Ihr Zusteller den ganzen Tag schwere Pakete schleppt und dafür nur mager bezahlt wird? Natürlich ist es unwahrscheinlich, dass man als Paketfahrer reich wird, aber eine faire Bezahlung für die Arbeit würde wohl auch dafür sorgen, dass sich mehr Menschen finden würden, die diesen Job tun. Damit würde die Belastung für die einzelnen Fahrer sinken und letztlich auch die Qualität der Zustellung wieder steigen.
Auf einer ganz anderen Ebene ist die versandkostenfreie Lieferung ebenfalls problematisch. Je mehr es zum Usus wird, dass der Versand einer Bestellung nichts kostet, desto mehr sinkt der gefühlte Wert der Dienstleistung, die all die Menschen erbringen, wenn sie unsere Bestellungen vom Versender zu uns bringen. „Was nichts kostet, ist nichts wert“ sagt der Volksmund, und damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Der Trend zur kostenlosen Lieferung sorgt auf energetischer Ebene dazu, dass ein gesamter Wirtschaftszweig weniger und weniger „gesehen“ wird. Und es ist keine unwichtige Branche, sondern eine, die für den Luxus und die Bequemlichkeit, in der wir das Glück haben zu leben, von wesentlicher Bedeutung ist.
Obwohl wir uns mit dem Essenzenladen in einer ziemlich kleinen Nische befinden und das Glück haben, mit tollen Kunden gesegnet zu sein, ist es auch für uns manchmal anstrengend dem Druck der „Geiz ist geil“ Mentalität standzuhalten. Wenn andere mit Rabatten werben bei denen ich mich fragen muss, wovon sie eigentlich leben, kostet es mich manchmal viel Kraft, weiterhin zu meiner Überzeugung zu stehen, dass gute Produkte einen fairen Preis verdienen. Und auch wenn der ein oder andere Kunde vielleicht woanders bestellt hat, weil er bei uns (aktuell) 3,50 EUR Versandkosten zahlen muss, bleibe ich bei meiner Überzeugung, dass es transparenter und angemessener ist, die Kosten dort auszuweisen, wo sie entstehen, anstatt sie zu verschleiern und mit scheinbaren Rabatten zu werben.