Ostreise 2 – Berlin

Meine eigentliche Reise gen Osten beginnt, wie geschrieben, erst am Montag. Sie hatte in den letzten Wochen schon auf vielen Ebenen ihre Schatten vorausgeworfen, doch momentan bin ich relativ entspannt, was sicherlich auch an den vielen Ablenkungen liegt, die Berlin zu bieten hat.

Nachdem wir gestern den halben Tag, den wir nach unserer Ankuft mit der Bahn hatten, für eine Bootstour auf der Spree und einige ausgewählte Ziele verwendet haben, haben wir uns heute die volle Dröhnung gegeben. Hop On/Hop Off Tour mit dem Bus entlang einer Route mit 18 Stationen, die quasi alles, was man als 08/15 Touri in Berlin gesehen haben sollte abdeckt. Wir verkneifen uns, jede einzelne der Stationen mitzunehmen, sonst wären die Kinder sicher Amok gelaufen 😉 Aber ein paar Stationen müssen schon sein: Brandenburger Tor und Regierungsviertel, Kurfürstendamm und Checkpoint Charlie. Alexanderplatz und Friedrichstraße sowie den wunderschönen Gendarmenmarkt haben wir gestern schon besucht.

Was mir an Berlin auffällt ist, dass das Großstadtflair (im negative Sinne) fast weitestgehend fehlt. Viel Grün, wenig Verkehr. Tonnen von Touristen, die aber alle irgendwie entspannt sind. Cool, und ich komme nicht umhin anzufangen, Berlin wirklich zu mögen 🙂  Für meinen Geschmack etwas zu entspannt sind lediglich die unglaublich vielen, den Junggesellenabschied feiernden, Grüppchen, die lauthals schreiend und marodierend durch die Innenstadt ziehen, teils zu Fuß, teils auf eigens angemieteten mit Pedalen betriebenen Spaßmobilen für die ganze Gruppe. Alleine heute haben wir mindestens fünf davon gesehen. Ungewohnt, aber das gehört wohl zur großen Stadt dazu. Obgleich ich mich schon frage, ob es immer so ist, oder ob wir einfach ein besonderes Wochenende erwischt haben.

Gestern schon haben wir Abendessen auf dem Gendarmenmarkt eingenommen, heute sind wir genau wieder dorthin zurückgekommen. Dieser Ort hat es mir irgendwie angetan. Nicht nur die Gebäude sind wunderschön dort, auch die Energie ist sehr angenehm und wohltuend. Ich frage mich, ob es sich nicht in irgendeiner Form um einen Kraftplatz handelt … immerhin stehen auch zwei Kirchen darauf.

Für heute reicht es uns dann. Tropische Temperaturen und den ganzen Tag auf den Beinen. Immerhin hat es heute abend angenehm abgekühlt, so dass wir die berechtigte Hoffnung auf einen halbwegs gesunden Schlaf haben. Morgen steht noch ein halber Tag Berlin an, dann setze ich die Familie in den Zug und mache mich auf zu meinem Hotel, von dem ich dann am Montag früh die eigentliche Reise beginne.

Brandenburger Tor

Ostreise 1 – Zeitreise

Oft tut es gut, in die eigene Vergangenheit zu reisen, und Orte und Plätze aufzusuchen, mit denen man Erfahrungen verbindet – gute oder schlechte. Manchmal ist es aber auch notwendig noch weiter, in die Vergangenheit der eigenen Familie zu reisen, um zumindest zu versuchen, Dinge zum Abschluss zu bringen, die so lange Zeit offen waren. Ganz besonders, wenn man Vertreibung und Flucht im System seiner Herkunftsfamilie hat.

Das Buch “Nebelkinder” war es, das bei mir das Knöpfchen gedrückt hat, und so habe ich mich auf die Reise gemacht, um Ostpreußen, die Heimat meiner Großmutter und ihrer Vorfahren zu besuchen.

Ostpreußen, ehemals Teil des preußischen und später des Deutschen Reichs, wurde nach dem 2. Weltkrieg im Wesentlichen zwischen Polen und Russland aufgeteilt. Im russischen Teil, in der heutigen Oblast Kaliningrad, liegen Königsberg (Kaliningrad), Insterburg (Tschenjachowsk) und Tilsit (Sowjetsk). Dorthin wird mich meine Reise führen.

Insterburg ist dabei mein eigentliches Ziel, denn dort wurde meine Großmutter geboren und von dort musste sie 1945 als junge Frau ohne Eltern, dafür mit zwei Geschwistern fliehen. Ich kenne einige Adressen von damals, und ich will die Orte aufsuchen, an denen meine Vorfahren bis 1945 gelebt haben.

Nachdem das Buch “Nebelkinder” wie gesagt bei mir auf das Knöpfchen gedrückt hat, war es nur ein kleiner Schritt, im Internet einen Hinweis auf eine Gruppenreise zu finden und Kontakt aufzunehmen. Alleine nach Russland – das wäre aufgrund der etwas schwierigen politischen Situation eine Herausforderung gewesen. Aber auch der Status des ehemals nördlichen Ostpreußens hätte es nicht leichter gemacht.

Die heutige Oblast Kaliningrad ist eine Exklave, das heißt, obwohl sie zur Russichen Föderation gehört, hat sie keine Landverbindung zum russischen Staatsgebiet und wird von Litauen und Polen umschlossen. Nach dem 2. Weltkrieg war die Oblast militärisches Sperrgebiet und man kam nur mit Sondergenehmigungen hinein. Das hat sich erst in den 90er Jahren geändert, woraufhin ein reger Reiseverkehr ehemals Vertriebener einsetzte, die die alte Heimat wiedersehen wollten. Auch wenn die große Welle inzwischen abgeebbt ist, gibt es immer noch regelmäßige Touren dorthin.

Die Gruppe, der ich mich angeschlossen habe, beginnt ihre Reise in Ostwestfalen und fährt über Berlin und Polen nach Kaliningrad. Da hat es sich angeboten, die Familie einzupacken, das Wochenende in Berlin zu verbringen und dann am Montag in den Bus Richtung Osten einzusteigen. Und genau da sind wir jetzt: in Berlin.

Ich werde in den nächsten Tagen mein Reiseblog fortführen – weniger über Berlin sondern hauptsächlich über die Reise nach Osten, in die Vergangenheit meiner Familie. Für heute mache ich erstmal Schluss und wir versuchen in der HItze des Sommers ein wenig Schlaf zu bekommen, damit wir morgen die Sehenswürdigkeiten der Stadt unsicher machen können.

Fernsehturm Berlin