Brexit: Der große Katalysator

Als ich heute morgen im Radio die Nachricht gehört habe, dass die Mehrheit der Briten tatsächlich dafür gestimmt hat, die EU zu verlassen, war ich erstmal wie betäubt. Ich hatte bis zuletzt gehofft, dass die Vernunft siegen würde. Manchmal ist es jedoch so, dass es einschneidende Ereignisse braucht, um eine Kettenreaktion in Gang zu bringen, die letztlich zum Positiven führt.

Über die EU kann man viel schimpfen. Sie besteht aus einem Haufen Bürokraten, die nichts Besseres zu tun haben, als Glühbirnen zu verbieten und zweimal im Jahr mit Sack und Pack von der einen Stadt in die andere Stadt umzuziehen und damit Millionen an Steuergeldern zu verprassen. Das ist zweifellos wahr – wer jedoch die Europäische Union auf ihre negativen Seiten reduziert, schießt am Thema vorbei. Für mich ist die EU vor allem eines: der Garant, dass es auf europäischem Boden nie wieder Krieg geben wird. Neben den völkerrechtlichen Auswirkungen der EU Verträge ist es vor allem die immense wirtschaftliche Verflechtung und die einheitliche Währung, die dafür sorgt, dass es undenkbar ist, dass die europäischen Staaten untereinander Krieg führen. Die EU ist eine direkte Konsequenz der Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg. Unsere Eltern und Großeltern haben ein europäisches Haus gebaut und es ist unsere Aufgabe, es stabil und in Schuss zu halten. Dafür bin ich gerne bereit, die Schattenseiten inkauf zu nehmen.

Der bevorstehende Austritt der Briten aus der EU stimmt mich einerseits sehr traurig, denn er ist ein Sieg der ewig Gestrigen, die mit Parolen wie “Ausländer raus” den Prototypen der alten Energie repräsentieren. Andererseits fühlt sich der Brexit jedoch auch wie ein Katalysator an, der Beginn einer beschleunigten Entwicklung, die nur in eine Richtung führen kann: Den Zusammenbruch alter, verkrusteter politischer, gesellschaftlicher und finanzieller Systeme. Daraus erwachsen können neue Strukturen, die mehr dem entsprechen, wonach sich die Menschen sehnen – Transparenz, Ehrlichkeit, Integrität.

Eigentlich hatte ich darauf gehofft, dass die Veränderung ohne den großen Paukenschlag vonstatten gehen wird, doch wie es aussieht, haben wir diesen heute vernommen. Die nächsten Tage, Wochen und Monate werden sehr spannend. Es ist unsere Aufgabe, dabei stabil zu bleiben und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dafür zu sorgen, dass die Strukturen, die in Bewegung geraten werden, sich zum Besseren verändern. Dabei hat jeder Mensch einen unterschiedlich großen Einflussbereich. Bei dem einen ist es “nur” die eigene Familie, andere können als Berater, Therapeuten oder Geschäftsleute wie Multiplikatoren wirken und ein paar von uns sitzen recht nah an den Schalthebeln der Macht in Wirtschaft und Politik. Doch egal wie groß unsere Einflusssphäre ist – wichtig sind wir dabei alle. Es geht darum, jetzt in die richtige Richtung zu steuern anstatt in Panik und Weltuntergangsstimmung zu verfallen.

Normalerweise betätige ich mich nicht als Orakel, heute scheinen mir einige potenzielle Auswirkungen des Brexit jedoch so unvermeidlich, dass ich das Bedürfnis habe, sie niederzuschreiben. Die “Allwissende Müllhalde” (wer kennt sie noch? 😉 ) spricht also:

Nordirland und Schottland haben klar pro EU abgestimmt und wollen ohnehin schon lange von Großbritannien unabhängig sein. Schon bevor der Brexit politisch vollzogen ist, wird das Vereinigte Königreich auf eine extreme Zerreißprobe gestellt, die damit enden wird, dass sich Schottland abspaltet und EU Mitglied wird, Nordirland könnte entweder dasselbe tun oder sich der Republik Irland anschließen.

Der Finanzplatz London wird in seinen Grundfesten erschüttert werden, was auch massive Auswirkungen auf die anderen Bankenzentren der Welt haben wird, vor allem Frankfurt, aber auch New York. Wir werden massive Veränderungen im Bereich der Großbanken und Investmentfirmen erleben. Die gesamte Branche, die ohnehin auf tönernen Füßen steht, wird so durchgeschüttelt, dass (bildlich gesprochen) aus den Ritzen des bis dato undurchdringlichen Asphalts, neue kleine Pflänzchen wachsen – alternative Optionen für den Umgang mit Geld, Immobilien und Werten.

Ich bin davon überzeugt, dass die Geschichtsschreibung den 23. Juni 2016 irgendwann als den Tag ansehen wird, an dem eine große Veränderung ihren Anfang genommen hat. Ich selbst bin einerseits ein bisschen nervös, andererseits bin ich aber auch auf tiefster Ebene davon überzeugt, dass wir sicher sind und dass die Veränderung notwendig ist und in die richtige Richtung führen wird. Wenn wir alle Verantwortung für unser eigenes Leben, unser Wohlergehen und unser Glück übernehmen, dann kann die Welt nur besser werden.