Post-Zentrale zieht um: nach Schilda

Manchmal beginnen Gespräche gleich mit einem Tiefschlag. Da weiß man wenigstens gleich, was Sache ist. Manchmal beginnen Gespräche jedoch auch harmlos und schmieren dann, zuerst allmählich und dann immer schneller, ab … und immer wenn man denkt, jetzt ist man bereits unten angekommen, bekommt man doch noch einen oben drauf. Im nachfolgend skizzierten, im Gegensatz zur Stadt Schilda vollkommen realen Gespräch mit der Mitarbeiterin in unserer Postagentur, ging es zwar “nur” um Briefmarken – an der geistigen Gesundheit der Verantwortlichen im Post Konzern darf jedoch dennoch ersthaft gezweifelt werden.

Ich: Ich habe gehört, das Porto für Maxibriefe wird 2016 auf 2,60 EUR erhöht. Ich hätte gerne schon einmal einige Briefmarken – im Internet steht, sie seien ab sofort verfügbar.

Post: Das ist richtig, das Porto wird ab 1. Januar erhöht. Briefmarken dazu gibt es aber erst im Februar.

Ich: ???

Post: Bis dahin müssen alle Kunden 20 ct Marken dazukleben.

Ich: Muss man nicht verstehen, oder? Dann hätte ich gerne selbstklebende Briefmarken zu 2,60 EUR und zu 20 ct.

Post: Selbstklebende Briefmarken zu 20 ct gibt es leider nicht.

Ich: Aha, das ist aber blöd. Nun gut, dann hätte ich gerne einen Bogen nassklebende 20 ct Briefmarken

Post: 20 ct Briefmarken gibt es leider nur von der Rolle.

Ich (genervt): Dann halt von der Rolle. Und geben Sie mir gleich noch von den neuen 70 ct Briefmarken, selbstklebend bitte.

Post: Ein Briefchen?

Ich: Nein, bitte eine Rolle zu 100 Stück.

Post: Die Rollen gibt es zwar, die dürfen wir aber erst ab 2. Januar verkaufen …

An schlechteren Tage als heute hätte ich mich spätestens an dieser Stelle mit Schaum vor dem Mund in der Theke verbissen. So konnte ich, erschöpft lächelnd das Gespräch noch mit Anstand zuende bringen und nach Hause laufen – darüber sinnierend, ob die Post das alles tut, um Kunden zu vergraulen.

Zur Ehrenrettung der Agenturmitarbeiterin muss gesagt werden, dass sie a) nichts dafür kann und b) von dem Mist noch viel schlimmer betroffen ist als wir.

Und weil ich ein fast zwanghafter Optimist bin und versuche, in jedem noch so großen Scheiß das Positive zu sehen: Wenn denn dann die neuen 2,60 EUR Briefmarken da sind, dann sind wir zumindest das gruselige Motiv der aktuellen 2,40er los – russisch orthodoxe Ikonen. Brrrrr.

Erlernte Opfermentalität

Das Thema “sexuelle Übergriffe” ist in den Medien ein Dauerbrenner – mal kocht es so richtig hoch, mal brodelt es unterschwellig vor sich hin. Auf bento, einem zum Spiegel gehörenden Portal, habe ich einen Artikel gelesen, der mich zum Nachdenken gebracht hat, wenn auch nicht in die Richtung, die die Autorin wohl gerne gehabt hätte.

Um es vorweg klarzustellen: Ich bin natürlich der Meinung, dass jeder Mensch – Männer und Frauen (und, um politisch korrekt zu sein: alle, die sich nicht ganz sicher sind, was sie nun sind 😉 ) das Recht hat, über seinen Körper selbst zu bestimmen. Wer einem anderen sexuelle Handlungen aufnötigt oder sogar mit Gewalt aufzwingt muss dafür bestraft werden.

In der gesamten Diskussion stört mich jedoch seit geraumer Zeit etwas massiv: Die Prämisse ist immer, dass Frauen wehrlos und den bösen Männern hilflos ausgeliefert sind. Nebenbei: sexuelle Belästigung von Männern durch Frauen wird komplett ausgeklammert, obwohl auch das vorkommt.

Es ist sicher richtig, dass Männer in der Regel körperlich stärker sind als Frauen – aber die Fälle, in denen das eine entscheidende Rolle spielt (Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt) sind gottseidank der zahlenmäßig kleinste Teil. Beim überwiegenden Teil der Situationen geht es um Dinge, die irgendwo zwischen “missglücktem Flirtversuch” und “dummem Machogehabe” angesiedelt sind.

Wollen wir unseren Töchtern wirklich beibringen, dass sie allein schon aufgrund ihres Geschlechtes potenzielle Opfer und Männer generell böse sind? Sollen sie mit der Überzeugung aufwachsen, dass alles, was ihnen von Männern gesagt wird und was nicht viktorianisch prüde ist, ihre Persönlichkeitsrechte verletzt? Sollen Sie beim kleinsten derartigen Vorfall zum nächsten Frauenbeauftragten oder Polizisten rennen und das Schwein verpfeifen, weil sie sowieso keine Chance haben, sich zu wehren?

Oder wäre es nicht viel sinnvoller, ihnen Selbstwert und einen geraden Rücken beizubringen, damit sie dem Idioten, der mit seinen Anzüglichkeiten etwas zu weit gegangen ist, verbal eines vor den Latz knallen und ihn dann stehen lassen. Kenntnisse in Selbstverteidigung bzw. Kampfsportarten sind dabei übrigens sehr von Nutzen, jedoch nicht unbedingt, um sie leichtfertig anzuwenden. Allein schon die Tatsache, dass man weiß, dass man sich notfalls auch mal körperlich zur Wehr setzen kann, gibt dem Selbstvertrauen einen gehörigen Schub.

Wenn man die Medien gedankenlos konsumiert, kann man schnell zu der Überzeugung gelangen, dass der Einzelne, der “kleine Mann” (und Frau 😉 ) Spielball und Opfer von “denen da oben” ist. Uns wird suggeriert, dass wir ohnehin keine Chance haben, etwas zu ändern. Das mag im großen Rahmen ansatzweise richtig sein, für unser eigenes Leben ist es jedoch Quatsch. Wir haben sogar ziemlich viele Möglichkeiten, unser Leben selbst zu bestimmen. Und es ist die Aufgabe von Eltern, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder genau das lernen: Verantwortung übernehmen für das eigene Leben, damit sie nicht als Opferlamm in ständiger Angst der Herde folgen. Das Thema “sexuelle Übergriffe” ist nur ein kleiner Teil davon.

Ich wünsche mir für meine Töchter, dass sie, wenn sie mal dumm angequatscht werden, sich nicht als Opfer fühlen, sondern so stabil sind, dass sie dem Typ (oder der Typin?) einfach sagen können “Hau ab und lass’ mich in Ruhe”, dass sie sich notfalls gemeinsam mit ihren Freundinnen zur Wehr setzen, wenn jemand zudringlich wird und dass sie auch wissen, wo sie hintreten müssen, damit es richtig weh tut, wenn es gar nicht anders geht. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es in der Regel erst gar nicht soweit kommt, wenn man Sicherheit und Selbstvertrauen ausstrahlt.  Das Leben ist einfach schöner, wenn man es aufrecht und ohne unnötige Angst leben kann – und es ist mein Job, ihnen das so gut ich kann beizubringen.

Ist das Ende der Meinungsfreiheit eingeläutet?

Heute auf Spiegel Online: “Der britische Klitschko-Bezwinger und Boxweltmeister Tyson Fury hat sich in einem Interview für ein Verbot von Homosexualität ausgesprochen. Es gab heftige Proteste, jetzt ermittelt die Polizei wegen der homophoben Äußerung.”

Es steht vollkommen außer Frage, dass der Typ offensichtlich nicht mehr alle Latten am Zaun hat und sich mit so einer Äußerung – er stellt unter anderem Homosexualität und Pädophilie auf die gleiche Stufe – nicht wirklich Freunde macht. Aber ist das gleich ein Grund, dass der Staat eingreifen soll oder muss?

Um es direkt vorweg zu sagen: Ich bin nicht dieser Meinung! Im Gegenteil. Eines der höchsten Güter in einer liberalen Gesellschaft ist das Recht auf freie Meinungsäußerung. Ein fälschlicherweise Voltaire zugeschriebenes Zitat, das jedoch tatsächlich von Evelyn Beatrice Hall stammt, bringt es auf den Punkt:

“Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.”

Natürlich hat auch das Recht auf freie Meinungsäußerung seine Grenzen, nämlich da, wo es persönlich beleidigend wird. Wenn also jemand öffentlich sagt: “Herr XYZ gehört für mich in Gefängnis, weil er als Homosexueller ebenso kriminell ist, wie ein Pädophiler”, dann ist das sicherlich eine Beleidigung, insbesondere deshalb, weil sich die Aussage gegen eine namentlich benannte Person richtet.

Wenn sich aber jemand von einer zwar idiotischen, aber sehr pauschalen Aussage wie der von Tyson Fury so persönlich angegriffen fühlt, dass er nach Justiz und Gesetzgeber ruft, dann ist er meiner Meinung nach selbst Teil des Problems. Man muss die Meinung anderer, und unterscheide sie sich auch noch so sehr von der eigenen, auch mal aushalten können.

Solche Vorfälle sind symptomatisch für die Richtung, in die sich der Mainstream der Gesellschaft momentan entwickelt. Zusammen mit Themen wie Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung und der insgesamt zunehmen Datensammelwut von staatlichen Stellen und privatwirtschaftlichen Unternehmen, stimmt mich das Ganze sehr nachdenklich. Es hat den Anschein, als ob wir gerade dabei wären, die Freiheit, die wir uns über die Jahrhunderte mühsam erkämpft und mit viel Leid erkauft haben, nahezu widerstandslos wieder aufzugeben.

Ich bin jedoch der Meinung, dass es keine neue Revolution braucht, sondern ein Umdenken jedes einzelnen: Lasst doch die anderen denken, was sie wollen. Lasst sie im existierenden rechtlichen Rahmen auch sagen, was sie wollen. Hört auf, wegen jeder Kleinigkeit nach der Polizei zu rufen! Seid selbst so stabil, dass Ihr es aushalten könnt, wenn Ihr zufällig Teil einer Gruppe seid, die von irgendeinem Idioten pauschal beleidigt wird. Dieser Vollpfosten kennt Euch nicht und meint Euch auch nicht persönlich. Er drückt letztlich nur seine eigenen Probleme aus – und das ist genauso sein Recht, wie es Euer Recht ist, das zu sagen und zu leben, was Ihr wollt!

Ausstieg aus der Jauchegrube

Wenn man das Glück hat, ein großes Thema, vielleicht sogar ein Lebensthema abgeschlossen haben zu können, dann bringt das eine Reihe von neuen Erkenntnissen. Eine davon könnte wie folgt lauten:

Wenn Du es geschafft hast, aus Deiner persönlichen Jauchegrube herauszuklettern, dann gibt es keinen, aber auch gar keinen Grund, für andere wieder hineinzuklettern.

Anders ausgedrückt: Wenn ich es geschafft habe, eine ordentliche Portion Wackersteine aus dem Rucksack meines seelischen Ballastes herauszuwerfen, dann tue ich gut daran, mich nicht in den Dramen anderer zu verheddern. Das hat nichts mit Verschlossenheit, Hartherzigkeit oder Abschottung zu tun. Es ist einfach die bewusste Entscheidung, selbst stabil zu bleiben, wenn andere aufgrund ihrer eigenen Themen unten in deren Jauchegruben waten.

Bei jedem Stück Drama, was in mein Leben tritt, frage ich mich: Wieviel davon gehört mir, und wieviel dem oder den anderen? Alles, was nicht meins ist, hat bei mir nichts verloren!

Und das ergibt Sinn: Nur wenn ich oben bleibe, kann ich die anderen unterstützen, ein Seil oder eine Leiter anbieten oder auch nur gute Ratschläge zurufen. Wenn ich zum anderen hinabsteige, dann kann ich von dort aus nicht helfen, denn die Entscheidung, einen Weg aus dem Loch zu suchen und nach oben zu kommen, muss jeder Mensch selbst treffen – nicht meine Verantwortung, nicht meine Aufgabe. Alles, was ich tun kann, ist mein Möglichstes an Hilfe anzubieten.

Manchmal, wenn man erst kurz wieder heraus und noch dabei ist, die letzten Reste Gülle abzustreifen, seine Kleider zu ordnen und sich da oben umzusehen, ist es jedoch nicht leicht, stabil zu bleiben. Dann muss man die Entscheidung treffen, ob man wieder hinunterstürzen will, oder ob man seine Unterstützung so dosiert, dass man trotzdem noch stabil bleiben kann. Das mag manchmal wie Verschlossenheit oder Ablehnung aussehen, ist jedoch einfach nur das, was für das eigene Wohl notwendig ist.

Wenn ich mich selbst opfere, um mit anderen in deren Jauchegruben zu plantschen, dann hat letztlich niemand etwas davon …

Gedanken über Gutmenschen und besorgte Bürger

Top Thema momentan: Die Welle von Flüchtlingen, die nach Europa flutet. Doch nicht das Schicksal der Menschen, die ihre Heimat verlassen, noch die Suche nach einer Lösung für das Problem an dessen Quelle werden heiß diskutiert. Stattdessen schlagen sich die (von der jeweils anderen Seite so genannten) “Gutmenschen” und “Nazi-Deppen” leider nicht immer nur verbal die Schädel ein.

Um eines vorab klar zu sagen: Meine Position in dieser Sache ist die, dass es selbstverständlich ist, Menschen, die auf der Flucht sind, Asyl zu gewähren – ohne wenn und aber. Beim Beobachten der aktuellen medialen Schlacht zu dem Thema, komme ich jedoch nicht umhin, mir einige Gedanken zu machen …

  1. Wer Menschen zu Schaden bringt, Brände legt oder anderweitig anderer Leute Eigentum beschädigt, muss dafür bestraft werden.
  2. Wer dem blinden Hass der “besorgten Bürger” mit ebenso blindem Hass entgegentritt, sollte es eigentlich besser wissen.

Es ist gerade groß in Mode, dass alle, die halbwegs der Öffentlichkeit bekannt sind, sich medienwirksam zu dem Thema äußern. Tenor dieser Äußerungen ist, dass diejenigen, die sich gegen die Flüchtlinge wenden, “braunes Pack” sind und ohnehin nur dumme Stücke Scheiße. Diese Texte und Videos werden in den sozialen Netzwerken tausendfach geteilt und unterstützt.

Ich stimme zu, dass die Gewalt, die von diesen Menschen ausgeht, von der Gesellschaft zu verurteilen und von der Judikative zu bestrafen ist. Die Menschen aber im medialen Dauerfeuer auf das übelste zu beschimpfen und zu erniedrigen provoziert nur eines: Mehr Widerstand. Es spaltet die Gesellschaft in zwei Gruppen: “wir” und “die anderen” – und zwar wechselseitig.

Ich bilde mir nicht ein, zu wissen, was der Königsweg in diesem Dilemma ist. Ich bin mir auch nicht sicher, inwiefern ein Dialog mit den “besorgten Bürgern” von Erfolg gekrönt wäre. Wovon ich aber überzeugt bin ist, dass das momentan stattfindende öffentliche Bashing das Problem nur vergrößert.

Ein erster Schritt wäre wahrscheinlich, den Gewalttätern die öffentliche Bühne zu entziehen, indem die Berichterstattung auf ein Minimum reduziert wird, und gleichzeitig für eine schnelle und angemessene Bestrafung zu sorgen. Und wenn man gleichzeitig den Fokus der Berichte auf positive Nachrichten rund um die Asylbewerber legt (die gibt es ja auch genug), dann kann man die meinungsbildende Macht der Medien vielleicht endlich mal für einen guten Zweck einsetzen …

Wahrheit ist relativ

Es ist nicht abzustreiten, dass die Wissenschaft und die wissenschaftliche Methodik allgemein der Menschheit viele Fortschritte beschert haben. Was mich jedoch schon lange stört ist der Anspruch auf die absolute Wahrheit, den die etablierte Wissenschaft proklamiert. Das mag innerhalb eines kartesianischen Weltbildes vielleicht noch ansatzweise nachvollziehbar sein, jedoch sollte schon lange klar sein, dass die Philosophie Rene Descartes, die strikte Trennung zwischen Körper und Geist, Materie und der Welt des Feinstofflichen nicht aufrechtzuerhalten ist.

Ich vestehe zwar, dass alles, was nicht messbar ist, den linken Gehirnhälften der Forscher Angst macht, der Wissenschaft täte dennoch ein wenig mehr Bescheidenheit gut und insbesondere sollte sie sich (ebenso wie der Papst) vom Anspruch auf die absolute Wahrheit lösen. Dieser Artikel auf Spiegel Online ist ein fast ironisches Beispiel, warum …

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/psychologie-ergebnisse-hunderter-studien-nicht-wiederholbar-a-1050202.html

Ostreise 10 – Rückkehr nach Deutschland

Heute morgen – same procedure as always: Aufstehen, Frühstück, Abfahrt um 8.00 Uhr Richtung Grenze. Letzte Blicke auf Königsberg. Abschied von Johanna, unserer aktuellen Reiseleiterin (Tamara gestern hat nur die Stadtführung gemacht). Die Abfertigung durch die russischen Grenzer geht halbwegs flott: Alle raus aus dem Bus und in die Station und dann einzeln vortreten. Bei der Passkontrolle wird jedoch nach wie vor auf psychologische Tricks zur Einschüchterung gesetzt. Dunkle Scheiben, ein kleiner Schlitze um den Pass durchzureichen, mehrere Uniformierte pro Kontrollstelle und ernste Gesichter. Wir kommen jedoch ohne Probleme aus Russland raus. Danach geht weiter zur polnischen Grenzkontrolle – die Einreise in die EU.

Blick über den Oberteich in Königsberg
Blick über den Oberteich in Königsberg

Die Polen sind halbwegs entspannt. Pässe einsammeln und alle Schränke und Klappen des Busses auf zur Inspektion. Dann fällt ihnen ein, dass sie noch ein schickes Röntgengerät in der Grenzstation stehen haben, also müssen noch vier Koffer raus zum Durchleuchten. Nachdem darin nichts Verdächtiges gefunden wurde, werden sie wieder eingeladen und wir dürfen fahren. Nach insgesamt einer Stunde und 20 Minuten sind wir durch die Grenze durch – laut Mario, unserem Fahrer, eine rekordverdächtige Zeit.

Ich habe nun Ruhe, über die vergangenen Tage nachzudenken. War es richtig hierher zu kommen? Ja, ohne Einschränkungen. Was hat es mir gebracht? Mehr Verständnis und eine viel tiefere Verbindung zu immerhin 25% meiner Wurzeln. In der Gesellschaft der Mitreisenden habe ich begonnen, mich mit Ostpreußen zu identifizieren. Das, was früher ein reines mentales Wissen war, wurde nun durch emotionales und seelisches Wissen vervollständigt. Das ist in der Tat genau das, was passiert ist: Die Lücke, die mein ganzes Leben lang in Bezug auf den Teil von mir, der aus Ostpreußen stammt, vorhanden war, ist nun gefüllt. Ich bin mir noch nicht sicher, ob sie schon genügend gefüllt ist – vielleicht muss ich nochmal hinfahren – aber auf jeden Fall ist das bisher vorhandene teilweise Vakuum nun nicht mehr da. An seiner Stelle steht nun ein kleiner Baum, der gehegt und gepflegt werden will, damit seine Wurzeln wachsen und mir Stabilität geben.

Ostpreußen ist ein wunderschönes Land mit einem großen Herzen, das erst noch dabei ist, sich von den Wunden zu erholen, die ihm vor 70 Jahren zugefügt wurden. Ich wünsche mir, dass die Menschen, die heute dort leben, gut für das Land sorgen und es wieder zum Leben erwecken und blühen lassen. Das Potenzial dazu ist auf jeden Fall da. Und es gibt auch Anlass zur Hoffnung. Auch wenn noch viel zu tun ist, hat man den Eindruck, dass man zumindest schon einmal damit begonnen hat.

Auf einer etwas materielleren Ebene war die Organisation der Reise durchdacht und professionell. Natürlich gab es auch diejenigen in der Gruppe, die sich über das ein oder andere aufgeregt haben, unzufrieden waren oder denen sonst irgendetwas nicht gepasst hat. Ich jedoch bin einzig und alleine mit dem Ziel gekommen, nach Insterburg zu reisen. Ich hatte jeden Tag genießbares bis sehr gutes Essen, ein Zimmer mit Bad und Toilette und ein Bett – mehr habe ich nicht gebraucht. Die Hotels in Thorn und Königsberg waren sehr gut, das Hotel in Insterburg war unter dem Strich zwar keine vier Sterne wert, aber dennoch absolut in Ordnung. Die Reiseleiter waren kompetent und haben sich jederzeit um alles gekümmert.

Ich beglückwünsche mich zu der Entscheidung einen mobilen Hotspot mitgenommen und mit einer russischen Beeline Simkarte versorgt zu haben. Für umgerechnet etwas mehr als sieben Euro hatte ich während der ganzen Zeit mobiles Internet in akzeptabler bis sehr guter Geschwindigkeit, sogar auf der Kurischen Nehrung. Unter anderem habe ich es während meines Spazierganges in Königsberg dazu genutzt, um mir per Navigationssystem den Weg zurück zum Hotel zu weisen. Das gab mir den nötigen Rückhalt, um mich alleine durch die Stadt zu begeben. In den Hotels in Thorn und Königsberg gab es zwar ein gutes und kostenloses WLAN, das in Insterburg hat jedoch nicht wirklich funktioniert. Die mobile Netzabdeckung war insgesamt sehr gut und absolut mit Deutschland vergleichbar.

Die Orientierung in Insterburg und Königsberg ging mit jedem Tag immer besser. Wenn man sich ein wenig mit den kyrillischen Schriftzeichen beschäftigt, dann kann man nach dem optischen Ein-Finger-Suchsystem halbwegs leicht Straßennamen und Ladenschilder entziffern – die Wörter und Wortstämme sind oft mit deutschen, englischen oder französischen Ausdrücken verwandt. Аптека (Apteka) ist beispielsweise Apotheke, Ресторан (Restoran) und Кафе (Kafe) erklären sich von selbst. Quizfrage: Was bedeutet dieses Schild 🙂

Straßenschild in KönigsbergIch würde jederzeit wieder in das Königsberger Gebiet fahren – vielleicht sogar auf eigene Faust ohne Gruppe. Es gibt viele, die ein bisschen Deutsch sprechen, besonders die Taxifahrer, oder zur Not auch Englisch. Die Hotels kann man auch online buchen und es gibt sogar einen Direktflug von Berlin nach Königsberg. Mit dem Auto ist es zwar eine weite Strecke, aber immer noch machbar. Wenn ich meine Idee umsetze, und mit Familie und Fahrrad komme, werden wir wohl den Wagen nehmen müssen.

Ich bin froh, wieder nach Hause zu fahren. Es waren 10 Tage, vollgepackt mit Eindrücken und Erfahrungen. Vergessen werde ich diese Reise sicherlich niemals. Nun sind wir in Polen unterwegs und werden irgendwann zwischen acht und neun Uhr in Oranienburg aussteigen, noch eine Nacht im Hotel schlafen und dann mit dem Flieger von Berlin nach Hause.

Ostreise 1 – Zeitreise

Oft tut es gut, in die eigene Vergangenheit zu reisen, und Orte und Plätze aufzusuchen, mit denen man Erfahrungen verbindet – gute oder schlechte. Manchmal ist es aber auch notwendig noch weiter, in die Vergangenheit der eigenen Familie zu reisen, um zumindest zu versuchen, Dinge zum Abschluss zu bringen, die so lange Zeit offen waren. Ganz besonders, wenn man Vertreibung und Flucht im System seiner Herkunftsfamilie hat.

Das Buch “Nebelkinder” war es, das bei mir das Knöpfchen gedrückt hat, und so habe ich mich auf die Reise gemacht, um Ostpreußen, die Heimat meiner Großmutter und ihrer Vorfahren zu besuchen.

Ostpreußen, ehemals Teil des preußischen und später des Deutschen Reichs, wurde nach dem 2. Weltkrieg im Wesentlichen zwischen Polen und Russland aufgeteilt. Im russischen Teil, in der heutigen Oblast Kaliningrad, liegen Königsberg (Kaliningrad), Insterburg (Tschenjachowsk) und Tilsit (Sowjetsk). Dorthin wird mich meine Reise führen.

Insterburg ist dabei mein eigentliches Ziel, denn dort wurde meine Großmutter geboren und von dort musste sie 1945 als junge Frau ohne Eltern, dafür mit zwei Geschwistern fliehen. Ich kenne einige Adressen von damals, und ich will die Orte aufsuchen, an denen meine Vorfahren bis 1945 gelebt haben.

Nachdem das Buch “Nebelkinder” wie gesagt bei mir auf das Knöpfchen gedrückt hat, war es nur ein kleiner Schritt, im Internet einen Hinweis auf eine Gruppenreise zu finden und Kontakt aufzunehmen. Alleine nach Russland – das wäre aufgrund der etwas schwierigen politischen Situation eine Herausforderung gewesen. Aber auch der Status des ehemals nördlichen Ostpreußens hätte es nicht leichter gemacht.

Die heutige Oblast Kaliningrad ist eine Exklave, das heißt, obwohl sie zur Russichen Föderation gehört, hat sie keine Landverbindung zum russischen Staatsgebiet und wird von Litauen und Polen umschlossen. Nach dem 2. Weltkrieg war die Oblast militärisches Sperrgebiet und man kam nur mit Sondergenehmigungen hinein. Das hat sich erst in den 90er Jahren geändert, woraufhin ein reger Reiseverkehr ehemals Vertriebener einsetzte, die die alte Heimat wiedersehen wollten. Auch wenn die große Welle inzwischen abgeebbt ist, gibt es immer noch regelmäßige Touren dorthin.

Die Gruppe, der ich mich angeschlossen habe, beginnt ihre Reise in Ostwestfalen und fährt über Berlin und Polen nach Kaliningrad. Da hat es sich angeboten, die Familie einzupacken, das Wochenende in Berlin zu verbringen und dann am Montag in den Bus Richtung Osten einzusteigen. Und genau da sind wir jetzt: in Berlin.

Ich werde in den nächsten Tagen mein Reiseblog fortführen – weniger über Berlin sondern hauptsächlich über die Reise nach Osten, in die Vergangenheit meiner Familie. Für heute mache ich erstmal Schluss und wir versuchen in der HItze des Sommers ein wenig Schlaf zu bekommen, damit wir morgen die Sehenswürdigkeiten der Stadt unsicher machen können.

Fernsehturm Berlin

Gedanken zum Homo-Hype

Trotz der Gefahr, dass ich wieder einmal in ein Wespennest greife, komme ich heute nicht umhin, im Rahmen der aktuellen Diskussion um die Homo-Ehe ein paar Gedanken zum Thema Sexualität zu Papier – äh, in mein Blog zu bringen.

Ich finde den aktuell stattfindenden Homo-Hype ehrlich gesagt ziemlich befremdlich. Schwul sein ist cool, lesbisch sein sowieso, und wer nicht mindestens ein bisschen bi ist, ist von gestern und mega-out. Transsexuelle, Intersexuelle, Metrosexuelle … jedes Grüppchen hat inzwischen eine eigene Lobby und verkündet mit viel Trara, wie stolz es auf seine Art der Sexualität ist. Und wenn man nur vorsichtig äußert, dass man es zwar ok findet, dass jemand nicht “bloß” hetero ist, aber man dennoch nichts mit dem anderen Lifestyle anfangen kann (oder möchte), dann ist man sofort homophob, reaktionär und überhaupt ein ganz schrecklich intoleranter Mensch …

Es steht außer Frage, dass jeder das Recht hat, nach seiner Façon glücklich zu werden und dass niemand andere wegen was auch immer diskriminieren* darf. Wenn mir jedoch jemand erzählen will, dass Homosexualität genauso “normal” ist wie Heterosexualität, dann frage ich mich ernsthaft, wie es die Spezies Mensch bis heute geschafft hat, nicht auszusterben. Es ist ok, wenn jemand anders ist als die meisten anderen – das Anderssein aber zur Norm erklären zu wollen ist absurd.

Die Diskussion um die Homo-Ehe hingegen ist vollkommen überflüssig, da diese weder dafür sorgen wird, dass weniger Heteros heiraten und Kinder zeugen, noch, dass Homosexuelle es sich “anders überlegen” und plötzlich hetero werden, nur weil sie nicht den Bund der Ehe eingehen können. Das, was da gerade in den Medien stattfindet ist letztlich nur Schattenboxen.

Ich bin ein langweiliger Hetero mit Frau und Kindern und mir gefällt mein Leben. Ich mag intelligente, nette Homos und finde dumme Heteros blöd – und umgekehrt. Wer wann mit wem in die Kiste springt interessiert mich außerhalb meiner eigenen Familie überhaupt nicht und wenn jemand Conchita Wurst toll findet, werde ich mich auch weiter schweigend wundern und den Kopf schütteln. Amen.

* Kleine Randbemerkung: Das D-Wort ist heutzutage jedoch auch einer Hyperinflation unterworfen. Aussagen und Dinge, die vor wenigen Jahrzehnten noch einfach mit einem Lächeln abgetan wurden, führen heute dazu, dass Zeter und Mordio geschrien, und nach der Polizei und dem Gesetzgeber gerufen wird.

Medienmacht

Nein, ich bin nicht davon überzeugt, dass alles, was in den Medien gesagt wird gelogen ist (Stichwort “Lügenpresse”). Sehr wohl bin ich aber davon überzeugt, dass das meiste, was in den Medien gesagt wird, der Lenkung und oft auch Manipulation der öffentlichen (also auch meiner) Meinung dient. Volker Pispers bringt das schön auf den Punkt:

Aus diesem Grund gehöre ich schon seit Jahren zu den Totalverweigerern des öffentlichen Fernsehens. Und so wie es aussieht, wird es auch in der mittleren Zukunft keinen Grund geben, das zu ändern. Schade eigentlich …