Ostreise 10 – Rückkehr nach Deutschland

Heute morgen – same procedure as always: Aufstehen, Frühstück, Abfahrt um 8.00 Uhr Richtung Grenze. Letzte Blicke auf Königsberg. Abschied von Johanna, unserer aktuellen Reiseleiterin (Tamara gestern hat nur die Stadtführung gemacht). Die Abfertigung durch die russischen Grenzer geht halbwegs flott: Alle raus aus dem Bus und in die Station und dann einzeln vortreten. Bei der Passkontrolle wird jedoch nach wie vor auf psychologische Tricks zur Einschüchterung gesetzt. Dunkle Scheiben, ein kleiner Schlitze um den Pass durchzureichen, mehrere Uniformierte pro Kontrollstelle und ernste Gesichter. Wir kommen jedoch ohne Probleme aus Russland raus. Danach geht weiter zur polnischen Grenzkontrolle – die Einreise in die EU.

Blick über den Oberteich in Königsberg
Blick über den Oberteich in Königsberg

Die Polen sind halbwegs entspannt. Pässe einsammeln und alle Schränke und Klappen des Busses auf zur Inspektion. Dann fällt ihnen ein, dass sie noch ein schickes Röntgengerät in der Grenzstation stehen haben, also müssen noch vier Koffer raus zum Durchleuchten. Nachdem darin nichts Verdächtiges gefunden wurde, werden sie wieder eingeladen und wir dürfen fahren. Nach insgesamt einer Stunde und 20 Minuten sind wir durch die Grenze durch – laut Mario, unserem Fahrer, eine rekordverdächtige Zeit.

Ich habe nun Ruhe, über die vergangenen Tage nachzudenken. War es richtig hierher zu kommen? Ja, ohne Einschränkungen. Was hat es mir gebracht? Mehr Verständnis und eine viel tiefere Verbindung zu immerhin 25% meiner Wurzeln. In der Gesellschaft der Mitreisenden habe ich begonnen, mich mit Ostpreußen zu identifizieren. Das, was früher ein reines mentales Wissen war, wurde nun durch emotionales und seelisches Wissen vervollständigt. Das ist in der Tat genau das, was passiert ist: Die Lücke, die mein ganzes Leben lang in Bezug auf den Teil von mir, der aus Ostpreußen stammt, vorhanden war, ist nun gefüllt. Ich bin mir noch nicht sicher, ob sie schon genügend gefüllt ist – vielleicht muss ich nochmal hinfahren – aber auf jeden Fall ist das bisher vorhandene teilweise Vakuum nun nicht mehr da. An seiner Stelle steht nun ein kleiner Baum, der gehegt und gepflegt werden will, damit seine Wurzeln wachsen und mir Stabilität geben.

Ostpreußen ist ein wunderschönes Land mit einem großen Herzen, das erst noch dabei ist, sich von den Wunden zu erholen, die ihm vor 70 Jahren zugefügt wurden. Ich wünsche mir, dass die Menschen, die heute dort leben, gut für das Land sorgen und es wieder zum Leben erwecken und blühen lassen. Das Potenzial dazu ist auf jeden Fall da. Und es gibt auch Anlass zur Hoffnung. Auch wenn noch viel zu tun ist, hat man den Eindruck, dass man zumindest schon einmal damit begonnen hat.

Auf einer etwas materielleren Ebene war die Organisation der Reise durchdacht und professionell. Natürlich gab es auch diejenigen in der Gruppe, die sich über das ein oder andere aufgeregt haben, unzufrieden waren oder denen sonst irgendetwas nicht gepasst hat. Ich jedoch bin einzig und alleine mit dem Ziel gekommen, nach Insterburg zu reisen. Ich hatte jeden Tag genießbares bis sehr gutes Essen, ein Zimmer mit Bad und Toilette und ein Bett – mehr habe ich nicht gebraucht. Die Hotels in Thorn und Königsberg waren sehr gut, das Hotel in Insterburg war unter dem Strich zwar keine vier Sterne wert, aber dennoch absolut in Ordnung. Die Reiseleiter waren kompetent und haben sich jederzeit um alles gekümmert.

Ich beglückwünsche mich zu der Entscheidung einen mobilen Hotspot mitgenommen und mit einer russischen Beeline Simkarte versorgt zu haben. Für umgerechnet etwas mehr als sieben Euro hatte ich während der ganzen Zeit mobiles Internet in akzeptabler bis sehr guter Geschwindigkeit, sogar auf der Kurischen Nehrung. Unter anderem habe ich es während meines Spazierganges in Königsberg dazu genutzt, um mir per Navigationssystem den Weg zurück zum Hotel zu weisen. Das gab mir den nötigen Rückhalt, um mich alleine durch die Stadt zu begeben. In den Hotels in Thorn und Königsberg gab es zwar ein gutes und kostenloses WLAN, das in Insterburg hat jedoch nicht wirklich funktioniert. Die mobile Netzabdeckung war insgesamt sehr gut und absolut mit Deutschland vergleichbar.

Die Orientierung in Insterburg und Königsberg ging mit jedem Tag immer besser. Wenn man sich ein wenig mit den kyrillischen Schriftzeichen beschäftigt, dann kann man nach dem optischen Ein-Finger-Suchsystem halbwegs leicht Straßennamen und Ladenschilder entziffern – die Wörter und Wortstämme sind oft mit deutschen, englischen oder französischen Ausdrücken verwandt. Аптека (Apteka) ist beispielsweise Apotheke, Ресторан (Restoran) und Кафе (Kafe) erklären sich von selbst. Quizfrage: Was bedeutet dieses Schild 🙂

Straßenschild in KönigsbergIch würde jederzeit wieder in das Königsberger Gebiet fahren – vielleicht sogar auf eigene Faust ohne Gruppe. Es gibt viele, die ein bisschen Deutsch sprechen, besonders die Taxifahrer, oder zur Not auch Englisch. Die Hotels kann man auch online buchen und es gibt sogar einen Direktflug von Berlin nach Königsberg. Mit dem Auto ist es zwar eine weite Strecke, aber immer noch machbar. Wenn ich meine Idee umsetze, und mit Familie und Fahrrad komme, werden wir wohl den Wagen nehmen müssen.

Ich bin froh, wieder nach Hause zu fahren. Es waren 10 Tage, vollgepackt mit Eindrücken und Erfahrungen. Vergessen werde ich diese Reise sicherlich niemals. Nun sind wir in Polen unterwegs und werden irgendwann zwischen acht und neun Uhr in Oranienburg aussteigen, noch eine Nacht im Hotel schlafen und dann mit dem Flieger von Berlin nach Hause.

Ostreise 9 – Königsberg

Heute morgen geht es etwas gemütlicher zu als bisher. Wir haben reichlich Zeit zum Frühstücken, bevor es um 9 Uhr auf eine Rundfahrt durch Königsberg geht. Tamara, unsere Reiseführerin erzählt uns einiges über die Stadt. Gleich zu Beginn kommen wir an der ehemaligen Schnapsbrennerei Petereit vorbei – das ist der Mädchenname meiner Großmutter. Sicher kein ganz seltener Name in Ostpreußen, aber ich muss trotzdem bei Gelegenheit forschen, ob es Verbindungen nach Insterburg gibt.

Der Pregel in KönigsbergVom alten Zentrum Königsbergs ist nach dem Krieg nicht viel übrig geblieben. Die englischen Bomber haben in nur zwei Angriffen einer Jahrhunderte alten Kulturstadt den Garaus gemacht. Heute hat Königsberg keine Altstadt, keine Fußgängerzone, kein Gesicht. Als ich das alles auf mich wirken lasse, kommt der Moment, wo es mir den Atem verschlägt und die Tränen in die Augen treibt. Was für eine sinnlose, mutwillige, verblendete Zerstörung. Generell ist das, was von allen Seiten im 2. Weltkrieg an Architektur, Kunst und Kultur ausgelöscht wurde – ganz zu Schweigen von den Millionen Menschenleben – so unendlich groß und war so unendlich wertvoll, dass ich das Gefühl habe, dass die Nazis und die Alliierten Europa ein ganzes Stück zurück in Richtung Steinzeit gebombt haben. Noch jetzt beim Schreiben schießen mir immer wieder die Tränen darüber in die Augen. Die Geschichte eines ganzen Kontinents wurde in nur sechs Jahren zu einem wichtigen Teil zerstört. Vorstellen, welche Kräfte dazu geführt haben, dass sich die Völker Europas immer wieder gegenseitig abgeschlachtet haben (und ab 1939 so richtig gründlich), kann ich mir nicht. Ja – die Kriege zwischen den Völkern wurden in der Regel von den Mächtigen angezettelt. Aber mitgemacht haben die kleinen Leute immer. Manche unter Zwang, aber viel zu viele mit Begeisterung. Die Definition von Selbstzerstörung.

Unsere Reiseleiterin Tamara erzählt auch, wie viel sie von den alten Königsbergern über die Geschichte ihrer Stadt gelernt hat, nachdem die ab den 1990er Jahren wieder zu Besuch kamen. Zuvor gab es nur die offizielle Version der Geschichte der Stadt: Die slawischen Pruzzen lebten hier, es gab eine zeitweilige Unterbrechung des Friedens durch den Deutschorden und die Deutschen und seit 1945 ist das Land wieder in russischer Hand und damit ist alles gut. Als Tamara über die Besucher aus dem Westen noch anfügt: „Die Ostpreussen haben Königsberg die Seele wiedergebracht“, bricht mir fast das Herz. Sie hat recht. Gottseidank kommt seit der Wende auch in Königsberg der deutsche Teil der Geschichte der Stadt Stück für Stück wieder ans Tageslicht. Erhaltene Gebäude werden restauriert, berühmte Söhne und Töchter der Stadt werden geehrt, auch wenn sie keine Russen waren.

Wir kommen beim Bernsteinmuseum an, das sich in einem noch aus den Zeiten der Stadtbefestigung erhaltenen und nach dem Krieg wieder aufgebauten Torhaus befindet. Die Geschichte dieses Schmucksteins aus fossilem Harz hier wiederzugeben, würde den Rahmen sprengen, wer mag kann aber hier nachlesen. 95% der weltweiten Vorräte an echtem Bernstein liegen in Ostpreußen, genauer in Palmnicken (Янтарный, Jantarny). Dort werden bis heute große Mengen an Bernstein aus der Erde geholt. Was man damit alles anfangen kann, sehen wir im Museum. Die Bandbreite reicht von wunderschön über kitschig bis fast ästhetisch kriminell. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich (nicht) streiten. Leider ist im Museum das Fotografieren nicht erlaubt, so dass ich keine Bilder machen kann.

Weiter geht es durch die Stadt mit einigen wenigen Stopps. Wir sehen unter anderem den Hansaplatz, den Hafen, das Marinemuseum von außen, das Schauspielhaus und fahren weiter bis zum Dom. Hier ist das Ende der Tour.

Der Königsberger Dom wurde im 2. Weltkrieg stark zerstört und stand jahrzehntelang als Ruine auf der Kneiphof-Insel mitten in der Stadt. Er entging der Sprengung während der Breschnew Ära einzig und alleine aus dem Grund, dass unter der Kirche das Grab des großen Philosophen Immanuel Kant lag und immer noch liegt. Erst nach der Wende wurde der Dom mit immens großem Aufwand und mithilfe von Spenden wiederaufgebaut und restauriert. Er beherbergt heute die größte Kirchenorgel in der gesamten Russischen Föderation. Da in der Kirche auch geteilte Orgel- und Sinfoniekonzerte stattfinden, haben die Sitzbänke eine Besonderheit: Die geneigte Rückenlehne lässt sich umklappen, so dass während des Konzerts alle Besucher kurz aufstehen, die Rückenlehne umklappen und sich auf die gegenüberliegende Bank setzen und damit in die andere Richtung schauen können. Tamara versichert uns, dass das für 2-3 Minuten ein Höllenlärm ist 😉

Um 14.00 Uhr wäre ein Konzert des Dom-Organisten auf eben dieser Orgel zu hören, ich entschließe mich aber, mir stattdessen lieber noch etwas von der Stadt anzusehen. Daher laufe ich vom Dom zurück zum Hotel – eine ordentliche Strecke, die man jedoch in einer knappen Stunde bewältigen kann. Ich komme durch Gegenden, in denen sozialistische Plattenbauten neben heruntergekommenen alten Gebäuden, und andere, in denen hübsch sanierte Häuser neben neomodernen Klötzen stehen – und umgekehrt. Es wird auch viel gebaut und saniert. Aber es ist wahr: Der Stadt fehlt das Zentrum und das Gesicht. Ich wünsche mir, dass sich das eines Tages wieder ändern wird, denn Königsberg kann eine wunderschöne Stadt sein. Die Wehmut, die mich angesichts dessen, was verloren gegangen ist, überkommen hat, ist indes eine andere, als die in Insterburg. Dort war ich persönlich betroffen. Hier in Königsberg ist der Schmerz eher allgemein, aber nichtsdestotrotz groß.

Als ich im Hotel ankomme ist erst einmal Ausruhen angesagt – es ist heiß und die letzten Tage waren insgesamt sehr anstrengend. Meine Ostreise nähert sich dem Ende. Nachher gibt es das letzte Abendessen und morgen fahren wir über Danzig und Stettin nach Hause. Ich werde mir im Bus die Zeit nehmen und die Reise noch einmal Revue passieren lassen. Für heute reicht es daher erst einmal.

Ostreise 8 – Rauschen und die Kurische Nehrung

Frühes Aufstehen, frühes Frühstück. Wir haben heute einiges vor: das Ostseebad Rauschen (Светлогорск, Swetlogorsk) und dann auf die Kurische Nehrung. Gestern waren wir am Haff, jedoch auf dem Festland – heute fahren wir auf die Nehrung hinaus. Als wir Insterburg verlassen bin ich doch ein bisschen wehmütig. Vielleicht muss ich doch noch einmal zurückkommen und die Region mit dem Fahrrad erkunden. Mal sehen … vielleicht wenn die Kinder ein wenig größer sind und mitkommen können.

Wir fahren wieder zurück in Richtung Königsberg, und dann weiter in Richtung Nordwesten bis Rauschen. Der Badeort hat etwa 10.000 Einwohner und liegt an der samländischen Ostseeküste. Als wir dort ankommen, sehe ich das typische Flair, das wohl jeder Badeort an der Nord- und Ostseeküste hat. Viele Buden, die vor allem Bernstein in allen Variationen anbieten, sowie Badekleidung, Essen und Trinken und was das Herz der Badegäste sonst noch begehrt. Da Rauschen im 2. Weltkrieg nicht zerstört wurde, ist viel von der alten Bausubstanz erhalten und sogar bis auf wenige Ausnahmen in gutem Zustand. Man merkt, dass die Stadt heute ein beliebtes Ausflugsziel der etwas betuchteren Bevölkerung von Königsberg ist und auch aus dem ganzen Rest der Russischen Föderation im Sommer Gäste kommen. Viele der Gebäude sind noch im Besitz des Militärs, da Rauschen nach dem Krieg vor allem der Erholung und Genesung von Soldaten und Offizieren diente. Der Strand hier ist nur bedingt zum Baden geeignet, da die Küste sehr felsig ist und der früher vorhandene Sandstrand bis auf wenige Reste inzwischen von der Ostsee abgetragen wurde. Dafür gibt es eine schöne Uferpromenade auf der sich noch dutzende von weiteren Verkaufsständen aneinanderreihen.

Bildschirmfoto 2015-08-14 um 18.42.31Gegen Mittag fahren wir weiter nach Osten bis auf die Kurische Nehrung. Sie ist 98 km lang und zwischen 300 m und 3,8 km breit. Auf der Nehrung liegen nur ganz wenige Dörfer und sie wird durch die Grenze in einen russischen und einen litauischen Teil getrennt. Die Geschichte der Nehrung ist von Sturmfluten und Sandkatastrophen gezeichnet, bei denen ganze Dörfer innerhalb sehr kurzer Zeit durch starke Winde vom Sand zugedeckt wurden – das letzte Mal in den 1980er Jahren.

Im Besucherzentrum gibt es ein Café, wo uns ein reichhaltiges Mittagessen aus Fisch in allen Variationen erwartet. Der Nachtisch besteht aus Plinsen (ein neues Wort für mich) mit roter Grütze. Ziemlich vollgefuttert werfen wir noch einen Blick auf das Wasser, bevor wir wieder in den Bus einsteigen, um weiter auf die Nehrung hinaus zu fahren – wie gesagt: Sie ist ziemlich lang und alleine der russische Anteil beträgt 46 km.

So eine Reise mit dem Bus ist eigentlich recht bequem. Man hat sein Gefährt inkl. Verpflegung und Toilette immer dabei und muss noch nicht einmal selbst fahren. Wenn die Gruppe, mit der man unterwegs ist, gut zusammenpasst (wie es die unsere weitestgehend tut – ein paar Ausreißer sind immer dabei), dann ist das eine feine Sache. Aber ich merke, dass es jetzt gegen Ende der Woche anstrengend wird. Ich bin müde und eigentlich bereit, wieder nach Hause zu fahren.

Die Nehrung wurde mittels ausgefeilter Methoden so weit befestigt, dass heute Mischwälder darauf wachsen. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine Wanderdünen mehr. Zu einer dieser Ausnahmen, der Ephas Höhe, fahren wir nach dem Essen. Sie ist nach dem Mann benannt, der so viel für die Befestigung der Nehrung getan hat. Auf einem Holzsteg gehen wir einen guten Kilometer zu einer Aussichtsplattform, über die man schon einen guten Überblick über die Nehrung, die Ostsee und das Haff hat. Den besten Blick hat man aber auf der Plattform ganz oben auf der ca. 40 m hohen Düne, zu der wir dann auch noch laufen. Wunderschön.

Auf der anderen Seite kann man an einem breiten Sandstrand in der Ostsee baden. Wir machen uns also auf den Weg zurück, über den Parkplatz und zum anderen Ufer der Nehrung. Die Ostsee ist generell kälter als die Nordsee und viel kälter als das Mittelmeer. Wenn man an die 20 Grad Grenze herankommt, ist das schon etwas Besonderes. Für mich als bekennenden Warmduscher ist das definitiv nichts zum Baden, deshalb beschränke ich mich darauf, meine Füße ins Wasser zu halten. Das tut nach der ganzen Lauferei gut 🙂

Mir fällt zwischendrin auf, dass ich mittlerweile voll im „normalen Reisemodus“ bin. Die Emotionalität der vergangenen Tage ist im Wesentlichen vorbei, ein wenig Nostalgie kommt nur auf, als es im Bus um ostpreußische Wörter und Ausdrücke geht, von denen ich überraschenderweise eine ganze Reihe kenne. Ob das nun von meiner Oma ist oder auch nur, weil man sie auch in Aschaffenburg verwendet, kann ich nicht sagen. Aber es schafft dennoch ein Gefühl der Verbundenheit.

Der letzte Halt bevor wir nach Königsberg fahren ist die traditionsreiche Vogelwarte „Fringilla“ in Rossitten (Рыбачий, Rybatschi), immer noch auf der Nehrung. Sie wurde schon im Jahr 1901 gegründet und hat viel zur der Erforschung der Gewohnheiten der Zugvögel beigetragen. Sie befindet sich mitten im Wald. Unser Führer zeigt uns die seiner Aussage nach größten Netze der Welt, die in Form einer Reuse angeordnet sind, und mit denen sie jeden Tag Dutzende von Vögel fangen, sie beringen und dann wieder freilassen. Natürlich kommt die Führung nicht ohne eine Demonstration aus, und so zeigt er uns am Beispiel eines (halbwegs) frisch gefangenen Buntspechts, wie die Ornithologen in der Vogelwarte arbeiten. Armer kleiner Piepmatz, aber ich denke, er wird es überleben.

Wir fahren zurück. Endlich. Ich bin platt. Auf unserem Weg kommen wir noch durch Cranz (Зеленоградск, Selenogradsk), das zweite berühmte Seebad am Kurischen Haff. Kleiner und weniger schick als Rauschen, aber immer noch nett anzusehen. Durch den abendlichen Verkehr wälzen wir uns in die 500.000 Einwohner Stadt Königsberg. Zu sehen bekommen wir nicht viel, das kommt morgen dran.

Zum Abendessen soll es Königsberger Klopse geben, ein klassisch ostpreußisches Gericht. Ich freue mich darauf, denn ich hatte mir ohnehin vorgenommen, die Klopse, die meine Oma als Kind immer für mich gekocht hat, in deren Heimatstadt zu probieren. Das, was wir serviert bekommen, ist zwar ganz in Ordnung, jedoch – wie mir die echten Ostpreußen in der Gruppe versichern – weit entfernt von klassischen Königsberger Klopsen. Schmeckt auch ganz anders als bei meiner Oma. Ich nehme mir für zuhause vor, ein Originalrezept zu suchen und sie einfach selbst zu kochen.

Und noch etwas habe ich heute über ostpreußische Kulinaria gelernt: Der Meschkinnes oder Bärenfang ist ein klassisches alkoholisches Getränk aus dem alten Ostpreußen, das besonders im kalten Winter für die innere Wärme sorgte. Ich bestelle über das Internet ein kleines Fläschchen zum Probieren. Wenn es mir schmeckt, werde ich selbst welchen ansetzen.

Für heute ist dann erstmal Schluss. Ich genieße das komfortable Zimmer im Hotel und ruhe mich aus für den morgigen Tag, der sicher noch einmal anstrengend wird.