Der Weg zur Meisterschaft

IMG_0582Der Begriff “Meisterschaft” im persönlichen Sinne kann sich auf viele verschiedene Bereiche beziehen – immer jedoch ist er erstrebenswert. Nachdem ich vor einigen Jahren wieder mit Judo, dem Sport meiner Kindheit, begonnen hatte, wurde für mich immer klarer, dass die “Meisterschaft” im Judo – aka schwarzer Gürtel – etwas war, was ich für mich erreichen wollte.

Im Gegensatz zu Fußball und Konsorten ist Judo eine Einzelsportart. Ohne einen Partner, kann es jedoch nicht funktionieren. Ich schreibe diesen Beitrag zwar aus meiner persönlichen Sicht (weswegen statt dem “wir” viel häufiger das “ich” vorkommt), jedoch bin ich diesen Weg zu keinem Zeitpunkt alleine gegangen. Die Danksagungen kommen dann am Ende des Beitrags 😉

Nach mehr als 20 Jahren Pause, war der Einstieg nicht leicht. An der Freude am Judo mangelte es nach meinem Neubeginn nicht, wohl aber anfangs an Kraft, Kondition und Technik. Nach meinem allerersten Training konnte ich – und das meine ich nicht bildlich sondern wörtlich – kaum noch laufen, und meine Frau wird sich auf ewig an den Moment erinnern, als ich an diesem Abend mein Bierglas mit zwei Händen heben musste, weil es mit einer alleine einfach nicht ging 😉

Während der ersten Monate habe ich jedes Mal einige Tage benötigt, um mich von den Strapazen des Trainings zu erholen. Doch es war eine stetige Verbesserung zu erkennen. Angespornt von der fantastischen Gruppe, in der Jung und Alt zusammen trainieren, bin ich heute soweit, dass ich mit über 40 in Sachen Judo und Akrobatik Dinge tue, die ich als Jugendlicher nicht gekonnt habe … und auch das Laufen und das einhändige Bierglasheben nach dem Training klappt inzwischen wieder einwandfrei 🙂

Heute vor zwei Jahren habe ich dann, viel schneller als eigentlich gedacht, meine Prüfung zum Braungurt gemacht und bestanden: ein riesiger Motivationsschub. Nach knapp 25 Jahren in “blau” (wenn auch die meiste Zeit nur passiv), endlich einen Schritt weiter.  Das nächste Ziel, der schwarze Gürtel, schien in realistische Nähe gerückt zu sein.

Manchmal fällt es einem im Nachhinein schwer, sich daran zu erinnern, welcher Teufel einen bei der einen oder anderen Entscheidung geritten hat. Wenn ich heute versuche, mich an den Moment zu erinnern, als ich mich entschloss, aktiv an die Vorbereitung zur Danprüfung zu gehen, dann weiß ich inzwischen, dass ich damals keine Ahnung davon hatte, worauf ich mich einlassen würde …

“Mal locker mit der Kata einsteigen”, das war meine Vorstellung. In Bayern hat man seit einigen Jahren die Möglichkeit, die Danprüfung aufzuteilen – Kata und Technik also zu trennen. In der DJK Aschaffenburg haben wir das große Privileg, mit Klaus Richter einen wahren Meister vor Ort zu haben, der außer seinem immensen Wissen und Können auch noch eine Liebe zum Judo mitbringt, die mich bei jedem Training aufs Neue inspiriert. Gepaart mit einer nahezu unerschöpflichen Geduld und dem perfekten Händchen, die Dinge so zu erklären, dass der andere sie auch verstehen kann, konnte und kann ich mir keinen besseren Trainer wünschen.

Die Nage-no-kata ist eine Übungsform, bei der es um die möglich exakte Ausführung einer Folge von 15 Wurftechniken geht. Ziel ist, es die verschiedenen Prinzipien zu verstehen und umzusetzen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich damals als Jugendlicher ein besonders tiefes Verständnis von Wurfprinzipien gehabt habe – und die über 20 Jahre Pause haben es sicher auch nicht besser gemacht. In der Zeit als wir uns die Kata unter Anleitung von Klaus erarbeitet haben, habe ich das sehr deutlich gespürt. Und gleichzeitig war es für mich sehr motivierend zu sehen, dass es mir zunehmend besser gelang, Techniken auszuführen, die ich noch Wochen zuvor für nahezu unmöglich gehalten hatte. Besonders zu Beginn ging ich oft durch ein Wechselbad der Gefühle zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit, je nachdem wie es im Training gelaufen war.

Während meiner Vorbereitungsphase für die Kata gelang es der DJK Judoabteilung, einer der zentralen bayerischen Danprüfung im Winter 2015 nach Aschaffenburg zu holen. Wenn es mir gelänge, bis dahin bereit zu sein, wäre es ein Heimspiel für mich. Zusätzlich würden die anderen Judoka aus der Trainingsgruppe auf jeden Fall im Dezember ihre Kataprüfung ablegen – insgesamt eine sehr kraftvolle Kombination aus Motivation und Druck.

Bis wenige Wochen vor der Prüfung war unklar, ob ich antreten würde oder nicht. Als sich dann jedoch abzeichnen zu begann, dass ich es hinbekommen würde, habe ich mein Herz in die Hand genommen und mich angemeldet. Die folgenden Wochen waren von intensivem und konzentriertem Training geprägt – teilweise fast täglich. Wenn ich beschreiben wollte, was in dieser Zeit und auch während der Prüfung in mir alles vorgegangen ist, würde ich wahrscheinlich ein ganzes Buch damit füllen. Deshalb beschränke ich mich darauf zu sagen, dass die komplette Trainingsgruppe, inklusive meiner Person, die Prüfung bestanden haben. Uff. Erster Teil geschafft.

Vom Deutschen Judobund, der für das Prüfungswesen zuständig ist, wird eine Vorbereitungszeit von zwei Jahren für den 1. Dan vorgeschrieben. Als wir in der Gruppe im September 2015 mit der Vorbereitung begannen, waren für mich eineinviertel Jahre seit dem Braungurt vergangen. Nach der ersten Teilprüfung hatte ich insgesamt 12 Monate Zeit, den zweiten Teil abzulegen – das Zeitfenster dafür war also klar vorgegeben: Zwischen Juli und Dezember 2016 musste es über die Bühne gehen. In Bayern sind zweimal im Jahr Danprüfungen und eine Prüfung im Juli würde abermals in Aschaffenburg stattfinden. Damit war das Ziel gesteckt. Ohne Wenn und Aber.

Der Technikteil der Prüfung ist aus meiner Sicht gleichzeitig leichter und schwerer als die Kata. Einerseits lässt er mehr Raum, um Fehler selbst zu korrigieren, andererseits ist er jedoch um ein Vielfaches umfangreicher. Das habe ich spätestens dann gemerkt, als ich mit der Vorbereitung begann. Boden, Stand, Übungsformen, Spezialtechnik und Theorie, plus Vorkenntnisse aus allen Kyu-Graden … wenn man alles zusammenzählt kommt man auf an die 100 verschiede Aktionen, die man für die Prüfung beherrschen muss. Einen Teil davon hatte ich bereits parat, ein anderer Teil lag verstaubt von früher irgendwo im (Muskel-) Gedächtnis und manches war für mich auch vollkommen neu.

Im Januar haben wir in der Gruppe dann aktiv mit der Vorbereitung begonnen. In seiner unendlichen Weisheit hat Klaus darauf bestanden, dass wir uns die Techniken, die wir in der Prüfung demonstrieren würden, weitestgehend selbst erarbeiten. Für mich war das aufgrund meiner 20-jährigen Abstinenz durchaus eine Herausforderung. Mich intuitiv richtig zu bewegen und der Instinkt für den rechten Moment waren mir in vielen Bereichen abhanden gekommen. Mit Hilfe meines Ukes und der anderen Mitglieder der Trainingsgruppe gelang es mir jedoch, ein Programm zusammenzustellen, das für mich funktionieren würde. Ich denke, ich kann ohne zu übertreiben sagen, dass ich im letzten halben Jahr mehr über Judo gelernt habe, als während den acht Jahren meiner aktiven Zeit als Jugendlicher.

Auch die Vorbereitung auf die Technikprüfung war zwischendurch eine emotionale Achterbahn – einige Wochen vor der Prüfung kam für mich jedoch der Moment, an dem ich das Gefühl bekam, gut vorbereitet zu sein. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ich gut daran tue, ab diesem Punkt konzentriert weiter zu arbeiten, denn zwischen dem “Gefühl” gut vorbereitet zu sein und dem Moment, an dem man es tatsächlich ist, liegt noch einiges an Schweiß 😉  Die letzten Wochen vor der Prüfung waren also von intensivem Training geprägt, so dass mir die Techniken irgendwann begannen aus den Ohren zu kommen und ich teilweise mit dem Gefühl auf die Matte ging: “Wenn ich das Bodenprogramm jetzt noch ein einziges Mal durchnudeln muss, dann kotze ich …” Ab diesem Zeitpunkt wusste ich dann, dass ich tatsächlich bereit für die Prüfung war 🙂

Am 16. Juli 2016 war es dann soweit – Prüfungstag. Nach netto etwa einer Stunde Prüfung mit Pausen und einer Gesamtdauer von sechs Stunden war es schließlich geschafft. Wieder hat die gesamte Trainingsgruppe bestanden, und das nicht nur einfach so – es wurde von allen Prüfern hervorgehoben, dass Klaus uns richtig gut vorbereitet hat. Beim direkt anschließenden Sommerfest der DJK Judoabteilung (geniales Timing!) haben wir es dann ordentlich krachen lassen. Was für ein Tag – was für ein Abend!

Nun sitze ich also hier und habe einen schwarzen Gürtel vor mir liegen. Mein gestecktes Ziel habe ich erreicht – und gleichzeitig ist es für mich ein neuer Beginn. Als frischgebackener Träger eines Meistergrades bin ich mir sicher, dass letztlich von der vollen Bandbreite des Judo noch kaum eine Ahnung habe. Aber das ist für mich nur umso mehr die Motivation an diesem bedauerlichen Zustand etwas zu ändern 🙂

Mein Dank gilt heute den Judoka der DJK Aschaffenburg – was für eine geile Truppe. Ein großer Teil der Freude am Judo, die ich nach all den Jahren wiedergefunden habe, geht auf Euer Konto. Ich danke Andrea dafür, dass wir den Weg vom Judo-Legastheniker zum (hoffentlich irgendwann) wahren Judo-Meister gemeinsam gehen. Mein Dank geht insbesondere an Jonas, meinen Uke, von dem ich viel lernen konnte und der trotz seines jugendlichen Alters auch dann mit mir altem Sack Geduld hatte, wenn ich mal wieder länger gebraucht habe, um eine Technik auf die Reihe zu kriegen. Ich danke Detlef, für seine unglaubliche Fähigkeit, aus all den jungen und alten Chaoten ein Team zu schmieden und natürlich Klaus, meinen Judo-Gott 😉

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