Pippi Langstrumpf und das Sternchen

Machen uns sprachliche Anpassungen wirklich zu besseren Menschen?

Wir waren Kinder in einer Zeit, in der wir mit Wonne Negerküsse essen konnten und Pippi Langstrumpf und andere Kinderbücher im Original gelesen haben, mit all den heute verpönten Wörtern wie Neger, Mohr etc., die inzwischen in den Neuauflagen dieser Bücher ersetzt werden oder wurden.

Ist es wirklich so, dass sich der gegenseitige Respekt der Menschen untereinander positiv verändert, indem wir unseren Wortschatz und unsere Sprache so anpassen, dass sie keine Wörter mehr enthält, die andere Menschen verletzen oder beleidigen könnten und sich Menschen jeden Geschlechts stets gleichermaßen ausdrücklich angesprochen fühlen?

Sind es die Wörter, die verletzen oder ist es die Intention, mit der wir sie gebrauchen? Und sorgt die zwanghafte Umsetzung einer politisch korrekten Sprache wirklich für eine Verbesserung oder zäumen wir dadurch das Pferd von hinten auf und schaffen einen Haufen neuer Problem?

Fall nicht runter!

Wie wir durch Formulierungen Situationen negativ oder positiv beeinflussen.

Eine Folge rund um Sprache und Formulierungen, die uns vom Klettergerüst auf dem Spielplatz zu nicht aufgeräumten Küchen und der Übernahme der Verantwortung für das eigene Wohlbefinden führt.

Wir reißen Themen wie emotionale Fitness und bewusste Kommunikation an und fragen uns, warum viele Menschen so gerne Probleme wälzen anstatt sie zielführend zu lösen. Gibt es vielleicht sogar Menschen, die ihre Problem gerne behalten?

Was der Biber mit all diesen Themen zu tun hat, erklärt Carsten bei einem kurzen Abstecher zu den Wild Earth Tieressenzen von Daniel Mapel, zu dem es bald eine eigene Folge geben wird. Also, hört gut zu 😉, es wird wieder sehr interessant.

Wir haben Körper

Immer wenn ich jemanden jammern höre, dass er, sie oder ein Mitglied der Familie “Magen-Darm” hätte, denke ich mir: Warum die Aufregung? Meine ganze Familie und ich haben auch jeweils einen Magen und einen Darm und bis auf ganz wenige Tage im Jahr funktionieren die prächtig. Wenn das mal nicht der Fall ist, fühlt es sich in der Tat nicht so toll an, aber das liegt nicht an der Tatsache, dass wir einen Magen und einen Darm besitzen, sondern vielmehr daran, dass dieselben kurzzeitig erkrankt sind – genannt wird sowas umgangssprachlich “Magen-Darm-Grippe” …

Im Judo haben wir daraus ein Bonmot entwickelt. Nach einem besonders anstrengenden Training, wenn man also so richtig platt ist und jeden Knochen spürt, sagen wir dann gerne “Wir haben Körper” 🙂

Sprachliches Erbsenzählen

Gerade habe ich mit dem Amazon Kundendienst telefoniert. Die Mitarbeiterin am Telefon war sehr nett, hat verstanden was ich will, und wird mein Anliegen weiterleiten. Im Zuge des Gesprächs hat sie sich dann für die Probleme, die ich hatte “entschuldigt”. Das klang in dem Moment so unpassend, dass ich mich genötigt sah, ihr zu erklären, dass sie selbst ja nichts falsch gemacht habe. Beim weiteren Nachdenken verspürte ich dann das Bedürfnis, darüber ein paar Sätze in meinem Blog zu schreiben.

Jetzt beginnt die Erbsenzählerei 😉

Erstens: Man kann sich nicht selbst ent-schuldigen – man kann nur um Ent-Schuldigung bitten. Wenn ich einen Weg kennen würde, um mich mal eben so von Schuld zu befreien, dann würde ich eine neue Religion gründen, denn selbst bei den Katholiken braucht es einen Pfarrer, um die Schuld “von uns zu nehmen” 😉

Zweitens: Da die Frau am Telefon kein persönliches Versäumnis begangen hat, hat sie auch keine “Schuld”. Wahrscheinlich wurde ihr von den Amazon-eigenen Kommunikationstrainern eingetrichtert, dass Kunden es toll finden, wenn das Unternehmen dem Kunden Recht gibt, Fehler eingesteht und das Haupt demütig senkt. Grundsätzlich ist das auch die bessere Taktik, anstatt den Kunden wie einen Bittsteller zu behandeln, wie das leider öfter der Fall ist. Aber an den Formulierungen könnte man noch arbeiten …

Mein Vorschlag an Amazon: Bringt den Leuten bei, ihr Mitgefühl durch Formulierungen wie “Das tut mir leid”, oder “Ich kann Sie gut verstehen” auszudrücken. Das klingt ehrlicher und trifft den Punkt viel besser.

So reden, dass andere einem zuhören WOLLEN

Das neue Jahr beginnt mit einem interessanten Kurzvortrag – er ist auf Englisch, es sind aber deutsche Untertitel verfügbar. Der Vortrag ist es definitiv wert, angesehen und umgesetzt zu werden – besonders auch der erste Teil!

Die Kurzbeschreibung von der TED Website: “Hatten Sie jemals das Gefühl, dass sie zwar reden, aber niemand Ihnen zuhört? Julian Treasure schafft Abhilfe. In diesem nützlichen Vortrag zeigt der Klangexperte, was man für einen kraftvollen Vortrag beachten muss — von praktischen Stimmübungen bis hin zu Tipps, wie man mit Einfühlungsvermögen spricht. Ein Vortrag, der vielleicht dabei hilft, der Welt einen schöneren Klang zu verleihen.”

OPCD – die neue psychische Erkrankung

Weiß jemand, an wen ich mich wenden muss, wenn ich ein neues Krankheitsbild in den ICD Katalog eintragen lassen will? Konkret handelt es sich um eine Störung, der ich das nette, englischsprachige Akronym OPCD geben möchte, alternativ gerne auch “Sann’s Disease” (benannt nach dem Entdecker, also mir). Wofür OPCD steht? Ist doch klar: für “Obsessive Political Correctness Disorder”, oder auf deutsch “Zwanghafte Politische Korrektheit”. Bei all denn netten Dingen, die schon heute im ICD-10 über sogenannte “psychische und Verhaltensstörungen” stehen, habe ich sicher eine gute Chance, aufgenommen zu werden.

Zur Begründung: In meinem Beitrag über die angeblich ausgrenzende Frage “Woher kommen Sie?” hatte ich bereits vorgeschlagen, den latent rassistischen und fremdenfeindlichen Terminus “Mensch mit Migrationshintergrund” durch folgende Version zu ersetzen: “Mensch mit von mir aufgrund oberflächlicher Beobachtung angenommenem Migrationshintergrund”. Was offensichtlich als satirische Überspitzung gemeint war, wird schneller als ich gedacht habe von der Realität eingeholt. In einem (gottseidank ironischen) Artikel der FAZ lief mir der (vom Urheber leider nicht ironisch gemeinte) Begriff “Person mit Migrationshintergrund ohne eigene Migrationserfahrung” über den Weg. Oh mein Gott.

Die Nationale Armutskonferenz (NAK), ein Verband, dem so illustre Organisationen wie die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz und der Bundesverband Deutsche Tafel e.V. angehören, hat sich offensichtlich die Zeit genommen, eine “Liste der sozialen Unwörter” zusammenzustellen. Dort finden sich  Begriffe wie “alleinerziehend”, “arbeitslos” und (man höre und staune) auch das schlichte “Missbrauch” – natürlich nur im sozialen Zusammenhang.

Besonders haarsträubend (ähm … interessant) sind die Begründungen, warum bestimmte Begriffe sozial nicht akzeptabel sein sollen. Ich erlaube mir einige genüssliche Zitate:

“Ehrenamtspauschale” (=Richtig müsste es Ehrenamtseinkommensteuerpauschale heißen, denn besagte Pauschale kann nur entgegennehmen, wer eine Steuererklärung abgibt. Gerade arme Menschen können dies aber nicht, weshalb sie auch diese Entschädigung nicht erhalten)

“Alleinerziehend” (=Sagt nichts über mangelnde soziale Einbettung oder gar Erziehungsqualität aus. Beides wird jedoch häufig mit “alleinerziehend” assoziiert)

“Flüchtlingsfrauen” (=Überflüssig, weil das Wort Flüchtlinge beide Geschlechter umfasst. Ansonsten: ähnlich diskriminierend wie Arztgattin)

Letztlich läuft es darauf hinaus, dass die NAK, ebenso wie all die anderen potenziell an der OPCD erkrankten Menschen und Gruppierungen, alles aus der deutschen Sprache entfernen wollen, was nur irgendwie, bei Vollmond um Mitternacht, und wenn im Jahr zuvor an Weihnachten um 11:25 Uhr Schnee gefallen ist, jemanden verletzen könnte.

In diesem Zusammenhang (und um die potenziell Erkrankten nicht mit zu vielen Widerworten auf einmal zu stressen) schlage ich gleich noch einige weitere Wörter vor, die dringend einer Überprüfung in Bezug auf ihre politische Korrektheit bedürfen:

  • “Häuslebauer” (=Impliziert, dass der Bauherr aus Schwaben stammt, was in Bezug auf das mancherorts (z.B. in Berlin) geringe Ansehen des schwäbischen Dialekts diskriminierend ist).
  • “Weihnachtsmann” (=Ist in Hinblick auf die lange Geschichte der Gleichstellung von Mann und Frau ein unerträglicher, chauvinistischer Anachronismus. Es ist nicht bewiesen, dass die Geschenke von einem Mann gebracht werden).
  • “Deutschland-Achter” (=Wird zwar aktuell nicht mehr so häufig verwendet – gemeint ist das Achter-Boot der deutschen Ruder-Nationalmanschaft – ist jedoch diskriminierend, da mit dem Wort “Achter” üblicherweise eine Verbiegung eines Rades, z.B. beim Fahrrad, und damit ein Defekt/Schaden bezeichnet wird.)

Bleibt nur zu hoffen, dass mein Vorschlag für die OPCD baldmöglichst in den ICD Katalog aufgenommen wird, und die Pharmaindustrie schnell ein passendes Medikament aus der Schublade zieht. Bis dahin rate ich, Erkrankten mit Nachsicht zu begegnen, ihnen in der direkten Kommunikation einfach Recht zu geben, und sich im übrigen nicht um ihre Vorschläge zu kümmern.