Das setzt dem Fass die Krone auf

Gerade habe ich einen Artikel auf www.migazin.de gelesen, der den bezeichnenden Titel trägt:

Ausgrenzende Frage: “Woher kommen Sie?“ – ein Beispiel für den alltäglichen Rassismus

Ähm, wie bitte? Zugegeben … als ich den Artikel gelesen habe, habe ich erwartet, dass sich am Ende Hape Kerkeling als eigentlicher Autor outet und das ganze als Satire entlarvt. Diese Hoffnung wurde leider bitter enttäuscht. Es hat sich auch kein anderer bekannter Spaßvogel zu diesem Artikel bekannt. Mir fehlen fast die Worte, diese (was ist die Steigerung von obsessiv?) Political Correctness noch zu kommentieren. Ich habe schon alle meine Superlative für die Debatte um das politisch korrekte Redigieren von Kinderbüchern verbraucht. Ich versuche es dennoch einmal. Ach ja … wer in meinen Kommentaren die eine oder andere Ironie findet, darf sie behalten 😉

„Menschen mit Migrationshintergrund“ werden in Deutschland durch die Frage „woher sie denn kommen“ zu „Fremden„ gemacht. Durch den unkritischen Umgang mit dieser Frage tragen viele von uns – auch Betroffene – zu dem Kreislauf des alltäglichen Rassismus und „Unterordnung“ der „Menschen mit Migrationshintergrund“ bei.

Ok, verstanden. Wenn ich also einen Menschen frage, woher er kommt, dann bin ich zumindest latent ein Rassist und am besten auch gleich ein Nazi, weil ich ja den Wert des anderen durch diese hinterhältige und nur scheinbar harmlose Frage herabsetze. So habe ich das noch nicht gesehen …

„Woher kommen Sie?“ ist in den meisten Fällen, eine versteckte Form, Information über die ethnische Herkunft einer Person einzuholen. Sie sollen ihre ethnische Herkunft offenlegen!

Man beachte das Ausrufezeichen am Schluss. Wie kann ein politisch korrekter Mensch nur allen Ernstes von einem anderen fordern, seine ethnische Herkunft offenzulegen. Das steht direkt auf einer Stufe mit der Frage an eine Frau nach ihrer Körbchengröße … ach nee, das war ja Sexismus. Und selbstverständlich ist der Grund, warum ich einen “Menschen mit Migrationshintergrund” (früher durfte man ja noch einfach “Ausländer” sagen) nach seiner Herkunft frage der, dass ich ihn im Hinterkopf schon in eines der vielen neuen Konzentrationslager sortiere, die wir sofort errichten werden, wenn der (noch) latente Rassimus wieder aus uns hervorbricht.

Außerdem: Wir in Deutschland sind nicht gerade bekannt dafür, dass wir eine offene und neugierige Kultur pflegen. Wieso sind wir aber in Hinsicht auf diese spezielle Frage so „offen“? „Menschen mit Migrationshintergrund“ werden doch selten etwas gefragt.

Ah ja … da gibt es natürlich die tief in unseren Genen verwurzelte Regel, dass man nicht mit “Menschen mit Migrationshintergrund” spricht. Wahrscheinlich, weil wir Angst haben, unrein zu werden oder uns mit was ganz Fiesem anzustecken.

Ein weißer Deutscher darf diese Frage wörtlich verstehen und hat das Privileg, den „Ort, woher er kommt“, selbst zu „bestimmen“. Ein Privileg, dass dem „Menschen mit Migrationshintergrund“ selten eingeräumt wird. Bei ihm wird die „Befragung“ mit hoher Wahrscheinlichkeit so lange fortgesetzt, bis aus seiner Antwort auch sein ethnischer Hintergrund hervorgeht bzw. der Fragesteller eine Antwort erhält, der sein Vorurteil befriedigt.

Mir fehlt die Kraft, das zu kommentieren …

Die Frage „Woher kommen Sie?“ ist nicht nur eine Frage, die den Teufelskreis vom Rassismus verstärkt. Sie bietet dem vermeintlichen Fremden auch eine Gelegenheit, den Teufelskreis vom Rassismus und Inferiorization zu brechen. Ihm wird eine Gelegenheit geboten, eine unerwartete Antwort zu geben und diese kulturell tief verwurzelte und gesellschaftlich akzeptierte Form des Rassismus herauszufordern.

Aha … das ist also die Lösung für das Problem. Einfach eine unerwartete Antwort geben. Wenn ich also einen Schwarzen (Entschuldigung: “Menschen mit Migrationshintergrund”) frage, wo er herkommt und er mit “Gelsenkirchen” antwortet, dann bin ich sofort geläutert und der in mir wohnende, latente Rassismus, wird sofort getilgt. Ach ja: Inferiori … wie war das Wort? Oh Mann …

Zum Schluss fällt mir ein, dass die Bezeichnung “Mensch mit Migrationshintergrund” eigentlich an sich auch schon abwertend ist. Sie unterstellt, dass das Gegenüber entwurzelt, aus seiner Heimat vertrieben, geflohen oder zumindest doch weggezogen ist – selbstverständlich mit allen negativen Folgen für die Psyche. So gesehen ist diese Bezeichnung eine gar nicht so latente Diskriminierung (und bestimmt auch Inferiorization, danke für das Wort) des anderen. Mein Lösungsvorschlag hierfür lautet, die Bezeichnung “Mensch mit Migrationshintergrund” ebenso zu ächten wie schon alle ihre Vorläufer inklusive “Ausländer”, “Neger”, etc. und stattdessen auf das politisch noch viel korrektere “Mensch mit von mir aufgrund oberflächlicher Beobachtung angenommenem Migrationshintergrund” umzustellen.

Das wird wohl dazu führen, dass solche unsäglichen Artikel noch ein wenig länger werden, aber man muss halt für die Political Correctness auch Opfer bringen.

9 Antworten auf „Das setzt dem Fass die Krone auf“

  1. Lach, ich gehöre sicher nicht zu der “Sorte politisch correct” Auch ich streite lieber über wirkliche wichtige Themen, die unsere Gesellschaft dividieren. Am liebsten unterhalte ich mich über so genannte “Tabuthemen”. Ich lege z.B. meinen Finger gerne in Wunden (Sachverhalte), die die Wirklichkeit in Deutschland eindeutig verzerren. “Deutschland ist ein reiches Land” ist z.B. so ein Thema. “Globalisierung und die Folgen” ein Anderes. Migrantenthemen finde ich zwar auch ein bischen wichtig, sie werden aber zu meinem Leidwesen oft aufgebauscht. Das sind so einige Dinge die mich umtreiben.

    Schönen Abend

  2. Sorry, angreifen will ich Sie bestimmt nicht.

    Da ich aber zum “älteren Semester” (60 +) gehöre, sind meine “Speilregeln wohl andere als Ihre.

    Sorry, wenn Ihnen meine Antworten nicht gefallen haben, Ihre Texte haben zumindest zwiespältige Gefühle in mir erzeugt 🙂

    1. Danke für die Klarstellung. Ihren Kommentaren zufolge schien es mir eher die Überschrift zu sein, auf die Sie reagiert haben. Auch wenn ich nur ein unbedeutendes Blog auf einem unbedeutenden Planeten am Rande der Milchstraße mit meinen Texten fülle, habe ich meine Überschrift bewusst gewählt und stehe dazu. Inhaltliche Zustimmung, Ablehnung oder Ambivalenz sind wie immer vollkommen dem Leser überlassen – und das ist gut so.

      Dennoch ein kleiner Nachtrag: Ich bin ein großer Freund des angemessenen und freundlichen Umgangs miteinander. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es einen nicht unbedeutenden Teil der menschlichen Rasse gibt, der auf das Thema nicht so viel Wert legt. Persönlich finde ich das schade, muss es aber in die Kategorie “nicht durch mich lösbar” einordnen. Meine Kommentare beziehen sich im Wesentlichen darauf, dass momentan von den zwanghaft “politisch Korrekten” eine Sau nach der anderen wegen Nichtigkeiten durch’s Dorf getrieben wird. Es gäbe sicherlich genug Themen, die es wert sind, kritisch hinterfragt und diskutiert zu werden – die Brüderle-Debatte, die Frage “Woher kommen Sie” und das Redigieren von alten Kinderbüchern gehört meiner Meinung nach nicht dazu. Zum letztgenannten Thema gibt es übrigens auch einen interessanten Artikel mit dem Titel “Ein Neger bleibt ein Neger” von Christine Nöstlinger in der “Zeit”: http://www.zeit.de/2013/05/Kinderbuecher-Sprache-Political-Correctness-Christine-Noestlinger .

      C.

  3. Wenn man schon deutsche Sprichwörter verwendet, sollte man sie bitteschön “nicht verhunzen”.

    Das schlägt dem Fass den Boden aus klingt sicher auch realistischer als das beschriebene Sprichwort. “Das setzt dem Ganzen ja wohl die Krone auf” – wer kann sich unter dieser Aussage nichts vorstellen. Menno, sprecht richtig Deutsch, oder lasst es bitte bitte bleiben.

      1. Wenn Sie auf diese Art Aufmerksamkeit erregen müssen/wollen, tun Sie mir aufrichtig leid. Ich errege Aufmerksamkeit in dem ich etwas besonderts gut/richtig mache. So sollte es sein, oder?

        Pragmatikerin

        1. *seufz* … einen Vortrag über rhetorische Stilmittel möchte ich jetzt aber nicht halten müssen. Schade, dass Sie schon in Ihrem zweiten Kommentar meinen, mich persönlich angreifen zu wollen.

  4. Dieses elende “mit Migrationshintergrund” hat sich sicherlich kein “Betroffener” ausgedacht. Meine Kinder antworten auf die Frage “Woher kommst Du?” einfach nur mit ihrem Wohnort…;-) Mit Rassismus hat diese Frage nichts zu tun…reine Neugierde, menschlich eben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert