Erlernte Opfermentalität

Das Thema “sexuelle Übergriffe” ist in den Medien ein Dauerbrenner – mal kocht es so richtig hoch, mal brodelt es unterschwellig vor sich hin. Auf bento, einem zum Spiegel gehörenden Portal, habe ich einen Artikel gelesen, der mich zum Nachdenken gebracht hat, wenn auch nicht in die Richtung, die die Autorin wohl gerne gehabt hätte.

Um es vorweg klarzustellen: Ich bin natürlich der Meinung, dass jeder Mensch – Männer und Frauen (und, um politisch korrekt zu sein: alle, die sich nicht ganz sicher sind, was sie nun sind 😉 ) das Recht hat, über seinen Körper selbst zu bestimmen. Wer einem anderen sexuelle Handlungen aufnötigt oder sogar mit Gewalt aufzwingt muss dafür bestraft werden.

In der gesamten Diskussion stört mich jedoch seit geraumer Zeit etwas massiv: Die Prämisse ist immer, dass Frauen wehrlos und den bösen Männern hilflos ausgeliefert sind. Nebenbei: sexuelle Belästigung von Männern durch Frauen wird komplett ausgeklammert, obwohl auch das vorkommt.

Es ist sicher richtig, dass Männer in der Regel körperlich stärker sind als Frauen – aber die Fälle, in denen das eine entscheidende Rolle spielt (Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt) sind gottseidank der zahlenmäßig kleinste Teil. Beim überwiegenden Teil der Situationen geht es um Dinge, die irgendwo zwischen “missglücktem Flirtversuch” und “dummem Machogehabe” angesiedelt sind.

Wollen wir unseren Töchtern wirklich beibringen, dass sie allein schon aufgrund ihres Geschlechtes potenzielle Opfer und Männer generell böse sind? Sollen sie mit der Überzeugung aufwachsen, dass alles, was ihnen von Männern gesagt wird und was nicht viktorianisch prüde ist, ihre Persönlichkeitsrechte verletzt? Sollen Sie beim kleinsten derartigen Vorfall zum nächsten Frauenbeauftragten oder Polizisten rennen und das Schwein verpfeifen, weil sie sowieso keine Chance haben, sich zu wehren?

Oder wäre es nicht viel sinnvoller, ihnen Selbstwert und einen geraden Rücken beizubringen, damit sie dem Idioten, der mit seinen Anzüglichkeiten etwas zu weit gegangen ist, verbal eines vor den Latz knallen und ihn dann stehen lassen. Kenntnisse in Selbstverteidigung bzw. Kampfsportarten sind dabei übrigens sehr von Nutzen, jedoch nicht unbedingt, um sie leichtfertig anzuwenden. Allein schon die Tatsache, dass man weiß, dass man sich notfalls auch mal körperlich zur Wehr setzen kann, gibt dem Selbstvertrauen einen gehörigen Schub.

Wenn man die Medien gedankenlos konsumiert, kann man schnell zu der Überzeugung gelangen, dass der Einzelne, der “kleine Mann” (und Frau 😉 ) Spielball und Opfer von “denen da oben” ist. Uns wird suggeriert, dass wir ohnehin keine Chance haben, etwas zu ändern. Das mag im großen Rahmen ansatzweise richtig sein, für unser eigenes Leben ist es jedoch Quatsch. Wir haben sogar ziemlich viele Möglichkeiten, unser Leben selbst zu bestimmen. Und es ist die Aufgabe von Eltern, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder genau das lernen: Verantwortung übernehmen für das eigene Leben, damit sie nicht als Opferlamm in ständiger Angst der Herde folgen. Das Thema “sexuelle Übergriffe” ist nur ein kleiner Teil davon.

Ich wünsche mir für meine Töchter, dass sie, wenn sie mal dumm angequatscht werden, sich nicht als Opfer fühlen, sondern so stabil sind, dass sie dem Typ (oder der Typin?) einfach sagen können “Hau ab und lass’ mich in Ruhe”, dass sie sich notfalls gemeinsam mit ihren Freundinnen zur Wehr setzen, wenn jemand zudringlich wird und dass sie auch wissen, wo sie hintreten müssen, damit es richtig weh tut, wenn es gar nicht anders geht. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es in der Regel erst gar nicht soweit kommt, wenn man Sicherheit und Selbstvertrauen ausstrahlt.  Das Leben ist einfach schöner, wenn man es aufrecht und ohne unnötige Angst leben kann – und es ist mein Job, ihnen das so gut ich kann beizubringen.

Das setzt dem Fass die Krone auf

Gerade habe ich einen Artikel auf www.migazin.de gelesen, der den bezeichnenden Titel trägt:

Ausgrenzende Frage: “Woher kommen Sie?“ – ein Beispiel für den alltäglichen Rassismus

Ähm, wie bitte? Zugegeben … als ich den Artikel gelesen habe, habe ich erwartet, dass sich am Ende Hape Kerkeling als eigentlicher Autor outet und das ganze als Satire entlarvt. Diese Hoffnung wurde leider bitter enttäuscht. Es hat sich auch kein anderer bekannter Spaßvogel zu diesem Artikel bekannt. Mir fehlen fast die Worte, diese (was ist die Steigerung von obsessiv?) Political Correctness noch zu kommentieren. Ich habe schon alle meine Superlative für die Debatte um das politisch korrekte Redigieren von Kinderbüchern verbraucht. Ich versuche es dennoch einmal. Ach ja … wer in meinen Kommentaren die eine oder andere Ironie findet, darf sie behalten 😉

„Menschen mit Migrationshintergrund“ werden in Deutschland durch die Frage „woher sie denn kommen“ zu „Fremden„ gemacht. Durch den unkritischen Umgang mit dieser Frage tragen viele von uns – auch Betroffene – zu dem Kreislauf des alltäglichen Rassismus und „Unterordnung“ der „Menschen mit Migrationshintergrund“ bei.

Ok, verstanden. Wenn ich also einen Menschen frage, woher er kommt, dann bin ich zumindest latent ein Rassist und am besten auch gleich ein Nazi, weil ich ja den Wert des anderen durch diese hinterhältige und nur scheinbar harmlose Frage herabsetze. So habe ich das noch nicht gesehen …

„Woher kommen Sie?“ ist in den meisten Fällen, eine versteckte Form, Information über die ethnische Herkunft einer Person einzuholen. Sie sollen ihre ethnische Herkunft offenlegen!

Man beachte das Ausrufezeichen am Schluss. Wie kann ein politisch korrekter Mensch nur allen Ernstes von einem anderen fordern, seine ethnische Herkunft offenzulegen. Das steht direkt auf einer Stufe mit der Frage an eine Frau nach ihrer Körbchengröße … ach nee, das war ja Sexismus. Und selbstverständlich ist der Grund, warum ich einen “Menschen mit Migrationshintergrund” (früher durfte man ja noch einfach “Ausländer” sagen) nach seiner Herkunft frage der, dass ich ihn im Hinterkopf schon in eines der vielen neuen Konzentrationslager sortiere, die wir sofort errichten werden, wenn der (noch) latente Rassimus wieder aus uns hervorbricht.

Außerdem: Wir in Deutschland sind nicht gerade bekannt dafür, dass wir eine offene und neugierige Kultur pflegen. Wieso sind wir aber in Hinsicht auf diese spezielle Frage so „offen“? „Menschen mit Migrationshintergrund“ werden doch selten etwas gefragt.

Ah ja … da gibt es natürlich die tief in unseren Genen verwurzelte Regel, dass man nicht mit “Menschen mit Migrationshintergrund” spricht. Wahrscheinlich, weil wir Angst haben, unrein zu werden oder uns mit was ganz Fiesem anzustecken.

Ein weißer Deutscher darf diese Frage wörtlich verstehen und hat das Privileg, den „Ort, woher er kommt“, selbst zu „bestimmen“. Ein Privileg, dass dem „Menschen mit Migrationshintergrund“ selten eingeräumt wird. Bei ihm wird die „Befragung“ mit hoher Wahrscheinlichkeit so lange fortgesetzt, bis aus seiner Antwort auch sein ethnischer Hintergrund hervorgeht bzw. der Fragesteller eine Antwort erhält, der sein Vorurteil befriedigt.

Mir fehlt die Kraft, das zu kommentieren …

Die Frage „Woher kommen Sie?“ ist nicht nur eine Frage, die den Teufelskreis vom Rassismus verstärkt. Sie bietet dem vermeintlichen Fremden auch eine Gelegenheit, den Teufelskreis vom Rassismus und Inferiorization zu brechen. Ihm wird eine Gelegenheit geboten, eine unerwartete Antwort zu geben und diese kulturell tief verwurzelte und gesellschaftlich akzeptierte Form des Rassismus herauszufordern.

Aha … das ist also die Lösung für das Problem. Einfach eine unerwartete Antwort geben. Wenn ich also einen Schwarzen (Entschuldigung: “Menschen mit Migrationshintergrund”) frage, wo er herkommt und er mit “Gelsenkirchen” antwortet, dann bin ich sofort geläutert und der in mir wohnende, latente Rassismus, wird sofort getilgt. Ach ja: Inferiori … wie war das Wort? Oh Mann …

Zum Schluss fällt mir ein, dass die Bezeichnung “Mensch mit Migrationshintergrund” eigentlich an sich auch schon abwertend ist. Sie unterstellt, dass das Gegenüber entwurzelt, aus seiner Heimat vertrieben, geflohen oder zumindest doch weggezogen ist – selbstverständlich mit allen negativen Folgen für die Psyche. So gesehen ist diese Bezeichnung eine gar nicht so latente Diskriminierung (und bestimmt auch Inferiorization, danke für das Wort) des anderen. Mein Lösungsvorschlag hierfür lautet, die Bezeichnung “Mensch mit Migrationshintergrund” ebenso zu ächten wie schon alle ihre Vorläufer inklusive “Ausländer”, “Neger”, etc. und stattdessen auf das politisch noch viel korrektere “Mensch mit von mir aufgrund oberflächlicher Beobachtung angenommenem Migrationshintergrund” umzustellen.

Das wird wohl dazu führen, dass solche unsäglichen Artikel noch ein wenig länger werden, aber man muss halt für die Political Correctness auch Opfer bringen.

Die unsägliche Sexismus-Debatte

Ich habe einige Zeit überlegt, ob ich zur rituellen Hinrichtung von Sexismus-Debatte über Rainer Brüderle etwas schreiben soll. Birgit Kelle hat mir freundlicherweise die Arbeit abgenommen, und ich bin ihr in der Tat sehr dankbar dafür, denn wenn ich als Mann das geschrieben hätte, was sie in ihrem Blog schreibt, hätte ich wahrscheinlich sofort dafür die rote Chauvinistenkarte gesehen. Die gibt es nämlich auch noch. Insofern kann ich allen Lesern nur den Artikel in ihrem Blog empfehlen.

Nachdem ich mir gestern die ganze(!) Folge von Markus Lanz mit dem ach so schlimmen Ausbruch von Katrin Sass angesehen habe (und nicht nur den etwas aus dem Zusammenhang gerissenen sensationsgeilen Ausschnitt auf YouTube), stellte sich mir die Frage, wo denn nun wirklich die Grenze für Männer (und übrigens auch andersherum für Frauen) liegen könnte und sollte. Die Teilnehmer der Diskussion im Fernsehen haben nicht geschafft, diese Grenze auch nur annähernd zu definieren. Dabei ist die Lösung doch  recht offensichtlich:

Wenn ich einen anderen Menschen angrabe, sei es des anderen Geschlechts, oder von mir aus auch des eigenen Geschlechts (um den Leuten den Wind aus den Segeln zu nehmen, die schon die rote Homophobie-Karte zücken wollen) dann ist das mein gutes, normalerweise der Erhaltung der Art dienendes Recht. Wenn der andere Mensch mir dann zu verstehen gibt, dass ich bei ihm nicht landen kann, dann ist das wiederum sein Recht und genau hier ist die Grenze – ich habe das zu akzeptieren und mit dem Baggern aufzuhören. Punkt. Nebenbei erwähnt ist es natürlich auch die Pflicht des Angegrabenen, unmissverständlich das eigene Missfallen über das angegraben Werden zu äußern. Letzlich läuft halt doch wieder alles auf eine offene und direkte Kommunikation heraus.

Wenn in diesem Land jeder auch noch so plumpe, verbale Versuch, eine Frau anzugraben sofort mit mit einem Sexismusvorwurf bestraft wird und im schlimmsten Fall mit einer medialen öffentlichen Hinrichtung endet, dann werden die Deutschen tatsächlich irgendwann aussterben. Der Titel des oben empfohlenen Artikels lautet übrigens “Dann mach doch die Bluse zu!” Dem ist nichts mehr hinzuzufügen 🙂

http://www.freiewelt.net/blog-4951/dann-mach-doch-die-bluse-zu!.html